Gabriela Eberhard
hat eine Interpellation zur Befalggung der Stadt zur Pride 2025 eingereicht.
Als Regionalleiter Ostschweiz bei EXIT Deutsche Schweiz ist Alois Carnier stets mit Krankheit und dem Wunsch zu sterben konfrontiert. Der Freitodbegleiter ermöglicht es Menschen, deren Leidensdruck zu hoch ist, ihr Leben selbstbestimmt zu beenden – wann und wie es für sie stimmt.
Lebensende Es ist ein ruhiger Raum mit gedämpftem Licht, in dem sich Alois Carnier sanft an das Bett der sterbewilligen Person kniet. Um das Bett stehen Verwandte. Alois Carnier blickt in die Augen der Person und reicht ihr das Glas mit Natrium Pentobarbital darin. «Wenn Sie das trinken, sterben Sie», sagt er ruhig und sachlich. Die Person auf dem Bett nickt und lächelt ihn an: «Ich weiss. Das ist mein Wille.» Die Person nimmt das Glas, setzt an und trinkt die klare Flüssigkeit in einem Zug. Die Minuten verrinnen während Carnier stumm an der Seite der Person verweilt. Der Atem wird ruhiger, die Augenlider schwerer und mit einem Lächeln geht die Person von dannen. So oder ähnlich laufen Freitodbegleitungen ab, erzählt Alois Carnier.
Im Alltag von Alois Carnier ist der Wunsch, selbstbestimmt aus dem Leben zu gehen, allgegenwärtig. Durchschnittlich begleitet der 57-Jährige zwei Personen pro Monat auf deren letzter Etappe. «Das Leben ist ein Geschenk», sagt der Präsident der Christkatholischen Kirchgemeinde Schaffhausen/Thurgau West, «ich darf es Gott auch wieder zurückgeben.» Er ist dankbar, in einem Land zu leben, indem eine Wahlmöglichkeit existiert. «Ich kann die Entscheidung individuell treffen, muss es aber keinesfalls», erklärt Carnier. Menschen, die eine körperlich terminale oder eine psychisch chronische Diagnose erhalten haben und deren Leidensdruck unerträglich ist, können ihr Leben mit dem Freitod selbstbestimmt beenden. Diese Personen können sich einerseits grosse Schmerzen ersparen und sich andererseits würdevoll verabschieden.
In der Schweiz gab es im Jahr 2022 1'125 Freitodbegleitungen, wobei das Durchschnittsalter der Menschen, die diesen Schritt tätigen, bei 79 Jahren lag. Ausserdem führe längst nicht jede Anfrage zum Freitod. Es zeige sich aber, dass die Zahlen seit Jahren steigen.
«Das Recht, die Art und den Zeitpunkt des eigenen Sterbens zu bestimmen, steht grundsätzlich allen Menschen in der Schweiz zu», weiss Carnier. Trotzdem ist eine Freitodbegleitung gemäss den internen Richtlinien von EXIT nur dann möglich, wenn die betroffene Person bestimmte Voraussetzungen erfüllt. So muss die Person einerseits wissen, was sie tut, das heisst hinsichtlich des Sterbewunsches urteilsfähig sein sowie die möglichen Alternativen kennen, andererseits einen anhaltenden Sterbewunsch hegen, der nicht von Dritten beeinflusst wird und letztlich muss die Person den Suizid eigenhändig ausführen. Diese Voraussetzungen sollen sicherstellen, dass der Sterbewunsch selbstbestimmt, wohlinformiert, durchdacht und nicht zum Beispiel das Resultat einer momentanen depressiven Verstimmung oder Krise ist. «Die Freitodbegleitung definiert sich als Hilfeleistung beim Suizid», erklärt der Regionalleiter, «EXIT führt die fachlich kompetente Freitodbegleitung nach sorgfältiger, einfühlsamer und verantwortungsvoller Abklärung durch.»
Alois Carnier widmet sich mit viel Hingabe und Empathie seiner Aufgabe als Freitodbegleiter. Sein Engagement für Menschen in ihrer letzten Lebensphase hat nicht nur Wirkung auf die Betroffenen, sondern verleiht seinem eigenen Leben einen tiefen Sinn und eine erfüllende Bedeutung. «Es ist nicht nur ein Beruf, sondern meine Berufung», offenbart Carnier, «ich geniesse die intensive Erfahrung, schätze die spannenden Begegnungen und fühle mich privilegiert, diesen intimen Momenten beiwohnen zu dürfen.» Trotz seines fachlichen Wissens, seines grossen Einfühlungsvermögens und Respekts für die individuellen Bedürfnisse der Menschen sei die Tätigkeit herausfordernd. Carnier steht Menschen in einer besonders sensiblen Phase ihres Lebens gegenüber und muss einfühlsam mit den Ängsten, Sorgen und Wünschen der Betroffenen und auch deren Angehörigen umgehen. Es sei wichtig, respektvoll, ohne Vorurteile und ergebnisoffen in die Situation zu gehen. «Ich nehme mich zurück, lasse mein Gegenüber reden und höre aktiv und wertschätzend zu», so der Regionalleiter. Dennoch sei es nötig, nachzufragen und Alternativen aufzuzeigen sowie die Menschen, ihre Bedürfnisse und Wahrnehmungen ernst zu nehmen.
Carnier, dessen Eltern beide Krebserkrankungen erlagen, ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied bei Exit. 2016 hat er sich als Freitodbegleiter beworben, aufgrund seines grossen Arbeitspensums aber die Ausbildung nicht starten können. Dies holte er 2020 nach und wurde nach Abschluss der rund einjährigen Ausbildung, die mit einem Assessment an der Uni Basel abschliesst, Freitodbegleiter. Die Regionalleitung Ostschweiz bei EXIT übernahm er im April 2023. Er nimmt Anfragen entgegen, prüft diese in einem ersten Schritt und gibt sie an eine passende Freitodbegleiterin oder einen passenden Freitodbegleiter weiter. Für seine elf Freitodbegleiterinnen und -Begleiter fungiert Carnier als Anlaufstelle bei Fragen, Unklarheiten oder Sorgen, ausserdem unterstützt er sie mit Coaching und Tipps und kümmert sich darum, dass alle gut aufgehoben sind. Darüber hinaus betreut und begleitet er auch selbst Mitglieder in ihrem Prozess, welcher von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Jahren dauern könne. «EXIT ist ähnlich wie die Rega oder die Paraplegiker-Stiftung und funktioniert wie eine Versicherung», informiert der Freitodbegleiter, «man hofft, dass man sie nicht braucht, aber im Fall der Fälle ist sie Gold wert.»
Von Benjamin Schmid
Ich bin 80 Jahre alt, liebe immer noch das Leben, aber meine Mitgliedschaft bei Exit besteht schon seit Jahrzehnten. Ich habe grosse Bewunderung und Respekt vor den Menschen, die sich bei Exit aktiv engagieren und ich möchte all diesen Menschen herzlich danken.
Brigitt Kundert antwortenAm Montag den 5. Februar hat mir Frau Lanini Herrn Carnier vorgestellt. Der Besuch der beiden hat mich sehr gefreut und ich habe mich mit Herrn Carnier gut verstanden. Den Abschied von Frau Lanini bedaure ich sehr. Sie hat mir doch lange geduldig zur Seite gestanden. Dennoch bin ich dankbar einen Nachvolger zu haben bei dem ich mich gut aufgehoben fühle. Veronika Wepf
Wepf Veronika antwortenIch bin jetzt 88 Jahre alt und habe keine grösseren Beschwerden. Ich stehe voll hinter der Freitodbegleitung und das gibt mir Mut und Hoffnung fürs weitere Leben. Ich bezweifle aber dass ich einmal über mein Leben selbst bestimmen kann, ohne dass ich eine Krankheit habe. Einmal kommt sicher der Wunsch aus dem Leben zu scheiden und frei zu entscheiden wann das sein wird. Vielen Dank
Bolzhauser Willy antwortenToll!
Heidi Maggiori antworten👍
Rentsch antwortenLade Fotos..