Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Seit einem Jahr wird in einem ehemaligen Gewächshaus an der Kleinbergstrasse 1 hinter dem Bürgerspital unterrichtet. Die kleine Parkschule, die Platz für 10 bis 13 Schulkinder bietet, stellt jedes einzelne Kind mit seinen individuellen Stärken und Interessen in den Mittelpunkt.
Parkschule Unter dem Schatten alter Bäume spielen Kinder lachend im grünen Park. Ein Junge kniet auf dem Waldboden und entdeckt fasziniert einen Käfer. In der Ferne ertönt die sanfte Stimme einer Lehrerin, die gerade ein Gespräch mit einer kleinen Gruppe von Schülern führt. Hier zählt nicht der Stundenplan, sondern der Moment.
Gegründet haben die «Kleine Parkschule» Sibylle Rüst und Alessia Dürr. Während erstere sich als «Tagverlangsamerin» und «Wunscherfüllerin» sieht, beschreibt sich letztere als «Komplimentebotin» und «Weltverschönerin». Beide sind ausgebildete Heilpädagoginnen und jahrelang an einer öffentlichen Schule tätig gewesen. Gemein ist ihnen ausserdem, dass sie ihrem Herzenswunsch folgten und einen Lernort schafften, wo jedes Kind gesehen, gefördert und individuell begleitet wird. Deshalb sehen sich die Frauen weniger als Lehrerinnen denn als Lernbegleiterinnen und bieten den acht Schülerinnen und Schülern, die aus St.Gallen und der näheren Umgebung kommen, einen sicheren Ort. Einige der Kinder haben von der öffentlichen Schule an die «Kleine Parkschule» gewechselt, andere von einer anderen Privatschule. «Unsere Lernenden hatten alle einen Leidensdruck», erzählt Rüst, «oft war es so, dass die Schulen zu gross waren und die Kinder deswegen untergegangen sind.» Hier fänden die Entdeckerinnen und Entdecker im Primarschulalter ein Setting, welches ihre individuellen Interessen abdeckt. «Unsere Grundsätze basieren auf den neuesten Studien und Ansätzen der modernen Pädagogik», sagt Dürr und ergänzt: «Nicht jedes Kind braucht dasselbe zur gleichen Zeit, deshalb passt sich unsere Schule den Kindern an und nicht die Kinder der Schule.»
«Hier bist du richtig», lautet das Leitmotiv der kleinen Parkschule. Der respektvolle und wertschätzende Umgang, den die Schule fördert, ermöglicht es den Kindern, ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren und ein tiefes Verständnis für sich selbst und ihre Umgebung zu entwickeln. Das Konzept der Schule baut auf einer altersdurchmischten Klasse auf, in der die Kinder voneinander lernen und gemeinsam wachsen können. «Unsere Atmosphäre zeugt von tiefem gegenseitigem Respekt und Sorgfalt im Verhalten, in der Sprache sowie in der Raumgestaltung und im Sein», konkretisiert Rüst. Obwohl es Pulte gibt, findet der Unterricht auf dem Sofa, am Boden oder im Park vor der Haustür statt. Die Natur als Lernort spielt eine entscheidende Rolle. «Wir besuchen verschiedene ausserschulische Naturorte, gestalten unsere Waldwoche im Herbst oder unser Bauernhoferlebnis im Frühjahr», führt Dürr aus. Durch das naturnahe Lernen sind die Kinder nicht nur viel draussen, sondern auch oft in Bewegung. So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder Bewegungsmenschen sind. Die «Kleine Parkschule» bietet eine bedürfnisorientierte und Neugier erhaltende Lernumgebung, in der sich die Kinder in verschiedenen Projekten entfalten und in der Gruppe voneinander lernen können. Einerseits stiften wiederkehrende pädagogische Elemente wie der Morgenkreis, bei dem die Kinder lernen, über ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse nachzudenken und sie zu verbalisieren, Orientierung, andererseits übernehmen die Kinder im projektorientierten Unterricht, bei dem sie Themen frei wählen können, Verantwortung und erfahren Selbstwirksamkeit.
Auch wenn der Lehrplan 21 den Rahmen des Unterrichts bildet, ist der Schulalltag der Kinder von unterschiedlichen Projekten geprägt. In einer Umgebung, die nicht nur bildungsorientiert, sondern auch naturnah ist, haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Lernprozesse ständig zu reflektieren. «Da wir fächerübergreifend arbeiten, werden in allen Teilbereichen kreative sowie künstlerische Ausdrucksformen integriert», erklärt Rüst. Im Schulalltag werden keine Noten verteilt und auch Hausaufgaben werden keine gegeben. Man wolle eine Schule mit individuellen Wegen sein, in der man den Mut hat, ehrliche Fragen zu stellen, statt vorgefertigte Antworten zu geben. «Wir sehen uns als Lernbegleiterinnen, die sich selbst als Lernende verstehen», offenbart Dürr. Regeln werden gemeinsam ausgearbeitet und kontrolliert. Die Kinder beobachten sich, sprechen einander an, machen einem Kameraden den Vorschlag, eine Runde im Park zu machen, wenn sie merken, dass er unruhig wird. Als Heilpädagoginnen seien sie darin ausgebildet, unterschiedliche Leistungsniveaus zu erkennen – sowohl Hochbegabung wie auch Lernschwierigkeiten. Am Ende des Jahres erhalten die Schülerinnen und Schüler ein Diplom für die erfolgreich absolvierten Projekte sowie einen Lernbericht, welcher differenziert Auskunft über den Lernstand gibt. «Hier bist du richtig» sei nicht nur der Leitspruch, sondern werde tagtäglich gelebt. «Bei uns ist jedes Kind richtig mit dem, was es ist und mitbringt, unabhängig von kulturellen Hintergründen», sagt Rüst.
Die beiden Heilpädagoginnen setzen auf Beziehungsgestaltung und somit den Menschen ins Zentrum, unabhängig von Geschlecht, Ethnizität oder sozioökonomischen Hintergründen. Nach dem ersten Jahr ziehen sie eine positive Bilanz. «Wir haben bewiesen, dass es möglich ist, Bildung auf Augenhöhe zu gestalten», sagt Rüst. Die Schule hat sich als ein Ort etabliert, an dem Kinder nicht nur Wissen erwerben, sondern auch als Individuen wachsen und sich entwickeln können. Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich sichtlich wohl, blühen auf und erfahren, dass die Schule einer der schönsten Orte in der Stadt sein kann. Ihre Eltern wiederum berichten, dass ihre Schützlinge entspannter heimkommen, negativ angelernte Verhaltensweisen ablegen konnten und sich freuen, Neues zu lernen. «Wir sehen uns darin bestätigt, mit unserem innovativen Ansatz und der liebevollen Lernumgebung den Schülerinnen und Schülern die besten Voraussetzungen zu bieten, um neugierig, selbstbewusst und respektvoll in die Zukunft zu gehen», resümieren Rüst und Dürr.
Die Schule ist auf Stiftungen und Finanzierungen angewiesen, da sie selbsttragend ist und sich allein durch die Elternbeiträge finanziert. Deshalb unterstützen die Heilpädagoginnen das grösste Crowdfunding im Schulbereich (www.schulwandel.ch) und fordern Bildungsgutschriften, welche das Schulgeld für ein Jahr abdecken.
Von Benjamin Schmid
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