Maria Mahler
organisiert mit vier Mitstreiterinnen das Orbit Open Air in St.Gallen.
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Cem Kirmizitoprak (31) kandidiert im September für den St.Galler Stadtrat. Der Parteilose verrät im Interview, warum er zur Wahl antritt und was er in der Stadt St.Gallen verändern will.
Politik Cem Kirmizitoprak ist Gründer und Leiter der Beratungsstelle Inklusion in St.Gallen. Die Beratungsstelle leistet Hilfe für Privatpersonen, bietet sozialpolitische Beratungen für Ämter zu sämtlichen Themen im Zusammenhang mit Inklusion an und führt Referate und Workshops an Berufs-, höheren Fach- und Fachhochschulen durch. Kirmizitoprak trat 2010 im Alter von 17 Jahren der Juso bei und politisierte im Anschluss 13 Jahre für die SP. Im November des vergangenen Jahres wurde ihm unangemessenes Verhalten gegenüber einer Arbeitskollegin vorgeworfen, weshalb es zu Streitigkeiten innerhalb der SP kam. Infolge dessen zog er sich aus der Partei zurück. Zur Wahl tritt er als Parteiloser an. Kirmizitoprak, der an zerebraler Tetraspastik leidet und auf einen Rollstuhl angewiesen ist, bezeichnet sich politisch als sozial-liberal.
Es ist Zeit, Diversität in den Stadtrat zu bringen, und zwar nicht nur Geschlechterdiversität. Mit meiner Kandidatur will ich den Leuten zeigen, dass auch jemand mit einer Behinderung in den Stadtrat kann. Inklusion ist ein Thema, das mir sehr wichtig ist und ich glaube, dass ich mit meiner Erfahrung diesbezüglich einen grossen Mehrwert bieten kann. Ich finde, dass die Stadt St.Gallen noch nicht inklusiv genug ist. Gleichstellung wird für Frauen und Ausländer gefordert, was ich gut finde, doch die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wird oft vernachlässigt, weil das Thema einfach nicht so attraktiv ist.
Es gibt vieles, das ich verändern würde. Ich bin zum Beispiel dafür, dass die Kulturförderung mehr Mittel erhält. Ein anderes wichtiges Thema ist für mich die Kinderbetreuung. Ich würde mir eine subjektfinanzierte Kinderbetreuung wünschen, wobei Betreuungsgelder nicht an Institutionen fliessen würden, sondern direkt an die Betroffenen. Familien könnten dann entscheiden, ob sie die Kinder selbst betreuen oder ob sie mit dem Betreuungsgeld eine Institution bezahlen, die die Kinderbetreuung übernimmt. Dann setze ich mich selbstverständlich auch für mehr Integration ein – nicht nur für die Integration von Menschen mit Behinderung, sondern für die Integration aller. Ich bin für ein Wahl- und Stimmrecht für alle – für Ausländer und auch für Menschen mit Behinderung mit einer umfassenden Beistandschaft. Zur Integration von Menschen mit Behinderung gehört für mich aber vor allem auch, dass man sie bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt.
Arbeitsintegration von Menschen mit Behinderung entlastet die Institutionen, gerade zum Beispiel auch die psychiatrischen Kliniken. Für die Gesundheit der Psyche ist Beschäftigung enorm wichtig. Das gilt auch für Menschen mit Behinderung. Auch sie können ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben leisten, deshalb ist es wichtig, Optionen anzubieten. Hier muss die Stadt mehr Verantwortung übernehmen.
Ich bin nicht zwingend für eine Steuererhöhung, sondern eher für eine Umverteilung der Steuereinnahmen. Bei der Kinderbetreuung beispielsweise ist das Geld schon da, man muss es nur direkt an die Familien abgeben und nicht zuerst an die Institutionen. Diese Subjektfinanzierung kann ich mir auch noch in weiteren Bereichen vorstellen. Auch bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung sollten die Beiträge direkt an die Betroffenen gehen, damit diese selbst entscheiden können, wie sie betreut werden wollen. Es kann aber schon sein, dass sich nicht alles durch Umverteilung finanzieren lässt. Ich bin zum Beispiel dafür, dass man für die Mitarbeitenden der Pflege oder der VBSG-Betriebe attraktivere Bedingungen schafft mit Lohnerhöhungen oder gratis GA. Für so etwas sind vielleicht auch Steuererhöhungen notwendig.
Mache denken vielleicht, dass ich chancenlos bin. Ich sehe das anders. Meiner Meinung nach kommt es darauf an, wie man politisiert. In den Gesprächen, die ich während des Wahlkampfs bisher geführt habe, habe ich gemerkt, dass die Leute nach authentischen Politikerinnen und Politikern dürsten. Sie wollen keine Politikerinnen und Politiker, die so hochgestochen reden, dass man nur die Hälfte von dem versteht, was sie sagen. Sie wollen Volksvertreter, die sich für das Miteinander einsetzen. Mir war es schon immer wichtig, Politik für die Menschen zu machen und deren Anliegen zu vertreten. Ich bin der Kandidat, der ein offenes Ohr für die Gesamtbevölkerung hat.
⋌Interview von Selim Jung
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