Ramona Fiore
kämpft gegen das Aussterben der einheimischen Schmetterlinge.
Giulia Steingruber erhält von Stadtpräsident Wolfgang Giella die Urkunde für den Gossauer Preis. z.V.g.
Am Freitag wurde Giulia Steingruber für ihre herausragenden sportlichen Leistungen der 19. Gossauer Preis verliehen. Anstelle einer Laudatio blickte die ehemalige Kunstturnerin gleich selbst zurück auf ihre herausragende Karriere und erzählte offen von mentalen Blockaden, die sie über Jahre immer wieder überwinden musste.
Hofstadl «Phasenweise bin ich am Druck von mir selbst, dem Verband und von aussen fast verzweifelt. Dennoch habe ich mich lange gegen Mentaltraining gewehrt», erzählt Giulia Steingruber während ihres Referats. 2015 habe sie erstmals eine mentale Blockade erlebt. «In dieser Situation stimmt die Verbindung zwischen Kopf und Körper nicht mehr. Der Kopf weiss nicht mehr, was der Körper ausführt und dies ist im Kunstturnen sehr gefährlich», erklärt die Gossauerin und verweist auf Simone Biles. Die weltbeste Turnerin der Geschichte verzichtete an den Olympischen Spielen von Tokio auf Starts, da sie unter einer solchen Blockade litt. Persönlich habe sie jeweils viel Geduld gebraucht und im Training wieder ganz unten beginnen müssen, um die Blockade zu lösen und das Gefühl für die Bewegungen wiederzufinden, führt Steingruber aus. Diese Blockaden hätten sie ab 2015 bis zum Karriereende immer wieder begleitet. Auch körperliche Rückschläge musste die Schweizer Sportlerin des Jahres 2013 während ihrer Karriere immer wieder wegstecken, so die Fussoperation nach den Olympischen Spielen von Rio, als sie Bronze am Sprung und damit die erste Medaille einer Schweizer Kunstturnerin in der Neuzeit gewonnen hatte, oder der Kreuzbandriss 2018, der das Karriereende hätte bedeuten können. «Im Spital war mir schnell klar, dass ich so nicht aufhören möchte», betont Steingruber, die auch von ihrer besonderen Beziehung zu ihrer geistig und körperlich mehrfach beeinträchtigen Schwester Desirée und deren Tod 2017 erzählte. Die Schwierigkeiten nach dem Rücktritt verheimlichte die Preisträgerin ebenfalls nicht. «Ich hatte mich so darauf gefreut, mal selber zu bestimmen, wann ich Ferien mache und vieles mehr. Doch als ich das konnte, war ich überfordert mit der Situation», räumt Steingruber ein. Dass die vorgegebene Struktur, die sie während vielen Jahren befolgen musste, plötzlich weg war, sei schwierig gewesen. Auch heute noch sei sie an der Verarbeitung der Karriere. Und doch stellt die 29-Jährige erfreut fest, dass sie inzwischen erfolgreich im Berufsleben angekommen sei. «Ich hätte es nie gedacht und am Anfang war es nicht einfach, aber heute habe ich Freude an meinem Job, obwohl ich achteinhalb Stunden am Tag im Büro sitze», erzählt Steingruber. Sie sei bei einer Agentur angestellt und aktuell damit beschäftigt, die Fanmeilen für die Fussballeuropameisterschaft 2024 in Deutschland zu planen.
Neben der Preisträgerin selbst lässt Moderator Christian Manser - bekannt von den Säulirennen an der Olma - auch Weggefährten zu Wort kommen. Mutter Fabiola Steingruber erzählt, dass es für die Eltern am schwierigsten gewesen sei, Giulia als 14-jähriges Mädchen nach Magglingen in eine Gastfamilie gehen zu lassen. Auch dass ihre Tochter von klein auf ein ausgesprochener Bewegungsmensch gewesen sei, erzählt Fabiola Steingruber. Inzwischen sei Giulia ruhiger geworden und sie gehe ihren Weg, so dass es ihr wohl sei. Ruedi Manser, damaliger Schulleiter an der Rosenau, erinnert sich, wie Giulia immer mehr zusätzliche Schuldispensen benötigte, bis sie irgendwann nur noch die Hälfte der Zeit in der Schule war. «Es brauchte gute Worte der Mutter, denn wir haben uns mit dem Entscheid jeweils nicht leicht getan», erinnert sich Manser. Denn es habe auch noch andere Turnerinnen an seiner Schule gehabt und da sei es aus Fairnessgründen nicht immer einfach gewesen, Giulias Abwesenheiten zu rechtfertigen. Kindergartenkollegin Petra Schmid erinnert sich, dass Giulia schon im Kindergarten sehr viel Energie gehabt und auf der Wiese geturnt habe.
Eine entscheidende Rolle in Steingrubers Karriere spielte Marianne Steinemann als erste Trainerin im Kunstturnen. Am Freitag ist sie mit drei jungen Schützlingen zugegen, die für ihr Idol eine gelungene Turnaufführung präsentieren. Und wenn der Gossauer Preis verliehen wird, darf natürlich auch der Auftritt von Dominik Eisenegger von der acrevis Bank nicht fehlen, schliesslich ist die Bank Preisstifterin. «Deine Reaktion, als wir dir mitteilten, dass du als Trägerin des Gossauer Preises auserkoren wurdest, war bezeichnend für deine bescheidene und bodenständige Art», sagt Eisenegger bei der Übergabe des Checks über 5'000 Franken. Auch die von Bildhauer Roman Brunschwiler gestaltete Stele, die als bleibendes Zeichen zwischen Rathaus und Fürstenlandsaal gesetzt wird, wird Steingruber «überreicht». «Es ist eine riesengrosse Ehre für mich. Ich komme immer wieder gerne nach Hause. Gossau ist ein Kraftort für mich. Vielen Dank für die jahrelange Unterstützung», schliesst die Geehrte.
Von Tobias Baumann
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