Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Was um die Wende zum 20. Jahrhundert als katholischer Arbeiterverein begann, agiert heute als christlich verankertes, offenes Netzwerk von Menschen in unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Diesen Samstag feiert die Christliche Sozialbewegung KAB St.Gallen Jubiläum.
Jubiläumsfest Die Geschichte der KAB St.Gallen ist eng mit der Entwicklung der katholischen Arbeiterschaft verbunden. Gegründet im Jahr 1899, war die Organisation zunächst unter dem Namen «Katholischer Arbeiterverein» bekannt. Wie Präsident Norbert Ackermann weiss, wurde diese Trennung nach Geschlechtern erst später aufgehoben, und der Verein entwickelte sich zu einer Plattform für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im katholischen Milieu. «Mit der aktuellen Bezeichnung 'Christliche Sozialbewegung KAB' vollzog die Organisation eine weitere wichtige Veränderung», sagt Ackermann und ergänzt: «Der Fokus verlagerte sich von einem rein katholischen Milieu hin zu einer ökumenischen und offenen Sozialbewegung, die auf die Herausforderungen der modernen Gesellschaft reagiert. Wir richten uns also an Menschen, deren Denke für die christliche Sozialethik offen ist».
Bot die Bewegung früher vor allem Bildung und Beheimatung in den Pfarreien, veränderte sich ihre Rolle in der Gesellschaft mit der Zeit. Heute steht die Organisation vor der Herausforderung, in einer zunehmend säkularen und individualisierten Gesellschaft ihre Relevanz zu bewahren. Norbert Ackermann betont jedoch, dass die zentralen Werte der KAB – wie die Würde des Menschen, Solidarität und Gemeinwohl – auch heute nichts an Bedeutung verloren haben. Allerdings hat sich der Schwerpunkt der Arbeit verschoben: Während in den Anfängen soziale Reformen und die Bekämpfung von Armut im Vordergrund standen, setzt die KAB heute verstärkt auf politische Bildung und die Sensibilisierung für sozialethische Fragen.
Die KAB St.Gallen steht heute vor der Herausforderung, sich in einer veränderten Gesellschaft neu zu positionieren. Die Arbeitswelt hat sich dramatisch gewandelt, und auch die sozialen Strukturen, in denen sich die Menschen bewegen, sind nicht mehr die gleichen wie vor 125 Jahren. Vereine, einst stabile Säulen des sozialen Lebens, erleben einen Bedeutungsverlust. «Der zunehmende Individualismus und die steigende Arbeitsbelastung führen dazu, dass traditionelle Formen der Gemeinschaftspflege an Bedeutung verlieren», erklärt Ackermann. Für die KAB bedeutet dies, neue Wege zu finden, um Menschen für die christliche Sozialethik zu begeistern und ihnen ein Netzwerk zu bieten, in dem sie sich engagieren können. Ein zentrales Anliegen der KAB ist es, auch in Zukunft als relevante soziale Bewegung wahrgenommen zu werden. Dafür setzt die Organisation auf Flexibilität und Offenheit: Die KAB versteht sich heute als Netzwerk, das verschiedene Formen und Intensitäten der Beteiligung ermöglicht. «Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten sowie Interessierte – alle sind eingeladen, sich nach ihren Möglichkeiten einzubringen und die Prinzipien der christlichen Sozialethik in die Gesellschaft zu tragen», sagt der Präsident.
Die Zukunft der KAB St.Gallen liegt in der Fähigkeit, den christlichen Sozialgedanken zeitgemäss zu interpretieren und in die Praxis umzusetzen. Norbert Ackermann ist überzeugt, dass die Prinzipien der christlichen Soziallehre auch in den kommenden Jahrzehnten eine wichtige Orientierungshilfe sein werden. Auch wenn die Organisation heute kein massgeblicher Player in gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen mehr ist, bleibe sie ein wichtiger Träger von Werten, die für ein gutes Zusammenleben unverzichtbar sind. «In der Überzeugung, dass Christliche Sozialethik 'zu einem guten Leben aller' beitragen kann, lohnt sich der Einsatz, dran zu bleiben», findet Ackermann. Die Relevanz hänge nicht nur von den lebensdienlichen Prinzipien ab, sondern insbesondere von Menschen, welche die Gedanken in die Gesellschaft hineinbringen und Konkretes zur Umsetzung tun. «Eine Massenbewegung werden wir kaum je werden, indessen gibt es nicht wenige Menschen, die sich von einer wertorientierten Sicht abseits der Pole auf die Gesellschaft ansprechen lassen», ist der Präsident überzeugt. Damit es zum «Tun in kleinen Schritten» führt, hilft der bewährte ethische Dreischritt «Sehen – urteilen – handeln».
Zum 125-jährigen Bestehen plant die KAB St.Gallen eine besondere Jubiläumsveranstaltung. «Im Mittelpunkt steht dabei nicht eine nostalgische Rückschau, sondern ein mutiger Blick in die Zukunft der Gesellschaft», offenbart Ackermann. Ein Höhepunkt des Festakts am 7. September im Pfalzkeller wird der Vortrag von Prof. Mathias Binswanger zum Thema «Wohlstand für alle ohne Wachstum?» sein. Im Anschluss wird auf einem Podium mit den Nationalrätinnen Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) und Franziska Ryser (Grüne) sowie dem Sozialethiker Thomas Wallimann-Sasaki diskutiert, wie ein «gutes Leben für alle» in der Zukunft gestaltet werden kann. «Ein weiteres Highlight der Feierlichkeiten wird die Präsentation eines eigens entwickelten Kartenspiels namens 'LeoXIII' sein», sagt der St.Galler. Das Spiel, entwickelt von einer jungen Kreativgruppe aus Horw LU, greift sozialethische Themen auf und bietet eine spannende Möglichkeit, sich spielerisch mit den Werten der christlichen Soziallehre auseinanderzusetzen. Detailprogramm siehe
www.kab-sg.ch/agenda
In der Zeit noch ohne jeden Sozialstaat entstanden Werke, die als Vorläufer heute selbstverständlicher Sozialwerke bezeichnet werden können, etwa die Wöchnerinnenkasse, Jahrzehnte vor der Mutterschaftsversicherung.
Überdauert und sehr lebendig ist das Hilfswerk «Brücke · Le pont», gegründet 1956 als «Brücke der Bruderhilfe» von August Steffen, das Missionsprojekte in der Dritten Welt unterstützte. Heute folgt die Brücke dem Leitspruch «Arbeit in Würde» und ist in Ländern des Südens aktiv.
In St.Gallen hat sich die 1902 eröffnete «Pension Felsengarten» mit dem Zweck «Arbeiterinnenfürsorge» mehrfach und erfolgreich dem gesellschaftlichen Wandel angepasst. Die heutige «Stiftung Halden Wohnen & Leben im Alter» im Osten der Stadt steht in ihrer direkten Nachfolge.
Das Sozialethische Institut «ethik22» greift aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen auf aus der Perspektive der christlichen Sozialethik. Im Kanton St.Gallen bieten wir regionale Abende an unter der Bezeichnung «Ethik bei Wein & Brot». Wichtig sind lebensnahe Themen, welche die Menschen vor Ort beschäftigen.
Von Benjamin Schmid
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