Boryana Milova
EnableMe Insight gewinnt die Swiss Sustainability Challange 2024.
Kuno Schedler
Gewerbe Stadt St.Gallen, der Hauseigentümerverband Stadt St.Gallen und Wirtschaft Region St.Gallen (WISG) haben bei der Universität St.Gallen eine Studie zur Standortattraktivität und zur finanziellen Führung in Auftrag gegeben. Die Studie hat konkrete Handlungsempfehlungen für die Stadt St.Gallen formuliert.
Standortförderung Es ist erst drei Jahre her, dass der Gewerbeverband die letzte Studie zur Standortattraktivität der Stadt St.Gallen durchgeführt hat. Von den damals 15 ausgesprochenen Handlungsempfehlungen wurden bislang acht umgesetzt, drei sind noch in Arbeit und vier sind nicht umgesetzt worden. Nun ist bereits die nächste Studie erschienen, die der Stadt weitere zwölf Massnahmen zur Standortförderung empfiehlt. «Man muss schon auch betonen, dass die Stadt in den vergangenen Jahren viel Gutes geleistet hat. Es gibt aber auch einige Baustellen, die dringend angegangen werden sollten», sagt Kuno Schedler, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität St.Gallen und Leiter der Studie.
In der Studie wurde die Stadt St.Gallen mit Luzern und Winterthur – zwei Städte von ähnlicher Grösse – verglichen. Bei der Gegenüberstellung der Erwerbstätigkeit schneidet St.Gallen am schlechtesten ab. Besonders die Erwerbstätigkeit bei den Frauen sei in St.Gallen unterdurchschnittlich tief. Dies könnte unteranderem mit dem Mangel an Kinderbetreuungsstätten in der Stadt zusammenhängen. Die Studie hat gezeigt, dass St.Gallen nur über 209 Betreuungsplätze pro 1'000 Kinder verfügt. In keiner anderen Stadt in der Schweiz ist dieser Wert so tief. Die Universität St.Gallen empfiehlt daher, gezielt in Betreuungsplätze zu investieren und damit die Attraktivität der Stadt für Erwerbstätige zu verbessern.
Die Studie hat auch die Pendlerströme in der Stadt analysiert. Im Jahr 2021 pendelten täglich rund 34'000 Personen in die Stadt und nur 11'900 aus der Stadt raus. St.Gallen hat also täglich rund 22'000 Zupenlder mehr als Wegpendler. Dies sei deshalb problematisch, weil Zupendler zwar die städtische Infrastruktur in Anspruch nehmen, hier aber keinerlei Steuern bezahlen. Schedler sagt: «Die Leute arbeiten zwar in der Stadt, wollen aber nicht hier wohnen. Besonders Leute mit hohem Einkommen wohnen oft in der St.Galler Agglomeration – in Gemeinden mit tieferem Steuersatz wie zum Beispiel Mörschwil oder Teufen.» Einer aktuellen Studie von Ecoplan zufolge bezahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Stadt St.Gallen rund 36 Millionen Franken für Leistungen, von denen die Einwohnerinnen und Einwohner anderer Gemeinden profitieren.
Im gesamten Kanton St.Gallen gibt es nur drei Gemeinden, die einen noch höheren Steuersatz als die Stadt St.Gallen haben. Die Studie empfiehlt der Stadt daher, sich gründlich mit der Entwicklung der Steuereinnahmen zu befassen, heisst: Die Stadt solle in Erwägung ziehen, die Steuern zu senken. Langfristig solle das Ziel sein, für Steuerzahler mit hohem Einkommen, aber auch für Unternehmen attraktiver zu werden. «Hier fehlt meiner Meinung nach eine klare Strategie», so Schedler. Für die Attraktivitätssteigerung einer Stadt sind laut der Studie auch die Aktivitäten und Investitionen von Privaten und Unternehmen entscheidend. Neben der Ansiedelung von Unternehmen und der Schaffung von attraktivem Wohnraum seien hier auch Bautätigkeiten ein wesentlicher Aspekt. «Im Zuge unserer Untersuchung habe ich mich mit diversen Vertretern der Baubranche unterhalten und konnte eine grosse Unzufriedenheit feststellen. Gründe für diese Unzufriedenheit sind zum Beispiel die hohen Anforderungen der Stadt an Bauwillige oder sich ständig ändernde, nicht nachvollziehbare Auflagen», erklärt Schedler. Er empfehle der Stadt daher dringendst, eine unabhängige Stelle mit der Analyse der Servicequalität im Bauwesen zu beauftragen.
Eine weitere Baustelle sei auch die Immobilienstrategie der Stadt St.Gallen. in diversen Gesprächen mit Verantwortlichen des Bereichs Immobilien sowie der Stadtfinanzen sei hervorgegangen, dass keine Finanzplanung zur Umsetzung der Immobilienstrategie vorliege. Fixe Beträge, in deren Rahmen die Stadt auf dem lokalen Immobilienmarkt Investitionen tätigen kann, liegen keine vor. Projekte über eine Summe von mehr als einer Million müssen vom Stadtparlament einzeln geprüft und genehmigt werden. Die Stadt solle daher die Ausarbeitung eines Businessplans zur finanziell nachhaltigen Umsetzung der Immobilienstrategie forcieren. Die Studie streicht ausserdem heraus, dass die Stadt 2022 in einen Investitionsstau geraten sei. Lagen die Nettoinvestition zwischen 2018 und 2021 stehts zwischen 43,2 und 59,2 Millionen Franken, so fiel dieser Wert 2022 auf 33 Millionen Franken. Die HSG empfiehlt, die Ursache für diesen Rückgang zu untersuchen, um in Zukunft wieder mehr Projekte realisieren zu können.
Was die Stadt mit den Empfehlungen der Studie macht, ist offen. Schedler sagt: «Die politische Bewertung unserer Empfehlungen überlassen wir der Politik. Die Studie ist lediglich eine Hilfestellung und keine Kollateralprovokation.» Grundsätzlich müsse sich die Politik die Frage stellen, ob die Stadt St.Gallen als Standort für Firmen aber auch als Wohnort für Private überhaupt attraktiver werden möchte und ob ein weiteres Bevölkerungswachstum erstrebenswert ist. St.Gallen wächst zwar langsamer als andere Schweizer Städte, doch auch sie wächst weiterhin. Die St.Galler Gewerbeverbände appellieren allerdings an die Politik und den Stadtrat, die Vorschläge aus der Studie ernsthaft zu prüfen.
Selim Jung
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