Maria Pappa
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Der St.Galler Film "Friedas Fall" ist am Schweizer Filmpreis 2025 gleich in drei Kategorien nominiert.
Seit knapp zwei Wochen läuft der Film «Friedas Fall» in Schweizer Kinos. Der Film, der zu grossen Teilen in St.Gallen gedreht wurde, erzählt die tragische Geschichte des Gerichtsprozesses einer Näherin, die Anfang des 20. Jahrhunderts in St.Gallen ihren fünfjährigen Sohn ermordete. Der Film wurde dreifach für den Schweizer Filmpreis 2025 nominiert.
Schweizer Film Eine Stunde und 47 Minuten: So lange dauert die emotionale Achterbahnfahrt «Friedas Fall», die seit dem 23. Januar in den Schweizer Kinos läuft. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. Er zeigt den Gerichtsprozess einer Frau, die Anfang des 20. Jahrhunderts für den Mord an ihrem fünfjährigen Sohn verurteilt wird. Wer nun allerdings denkt, dass es sich bei dieser Frau um den Bösewicht in dieser Geschichte handelt, täuscht sich gewaltig. Sie ist die tragische Figur in einer Geschichte, die von Missbrauch und Verzweiflung handelt und vom Kampf einer jungen Frau gegen ein frauenverachtendes, patriarchales System.
«I bis gsi», sagt Frieda Keller, dargestellt von der Herisauerin Julia Buchmann, bereits in den ersten zehn Minuten des Films. Zugegeben: Für einen Film, in dem es um den Gerichtsprozess einer Kindsmörderin geht, kommt das Geständnis der Täterin sehr früh. Trotzdem verliert der Film kein bisschen an Spannung. Es ist kein klassischer Kriminalfall. In «Friedas Fall» wird nicht nach der Täterin gesucht, sondern vielmehr nach dem Motiv. Wir befinden uns im St.Gallen des Jahres 1904. Die junge Näherin Frieda Keller erdrosselt aus zunächst unersichtlichen Gründen ihren fünfjährigen Sohn und verscharrt ihn im nahegelegenen Hagenbuchwald. Als das Kind gefunden wird, ist Frieda Keller sofort geständig. Doch warum hat sie ihrem Sohn das Leben genommen? Das versuchen sowohl Staatsanwalt Walter Gmür, gespielt von Stefan Merki, als auch ihr Verteidiger Arnold Janggen, gespielt von Max Simonischek, herauszufinden. Es beginnt ein Gerichtsprozess, der nicht nur das Schweizer Gesetz, sondern auch die Gesellschaft nachhaltig verändern wird.
Frieda Keller ist zum Zeitpunkt des Kindsmordes alleinstehend. Der Vater des Buben scheint in ihrem Leben keine Rolle zu spielen. Die Suche nach dem Vater führt Anwalt Janggen nach Bischofszell, wo Frieda zuvor in einer Gaststätte gearbeitet hatte. Er findet heraus, dass Friedas Sohn die Folge einer Vergewaltigung ist, denn Frieda wurde während ihrer Zeit in der Gaststätte mehrfach vom Wirt vergewaltigt. Wegen des unehelichen Kindes vom Vater verstossen, ist Frieda von Anfang an auf sich allein gestellt. Ihr kleiner Näherinnenlohn reicht kaum zum Leben. Sowohl Anwalt Janggen als auch dem Publikum im Kino wird klar: Die Frau hatte nie eine Chance. Der Fall erregt öffentliches Aufsehen, führt zu Protesten und ruft grenzüberschreitende Medienberichte hervor. Inmitten des juristischen Dramas zeigt ausgerechnet Staatsanwalt Gmür, der ursprünglich die Todesstrafe gefordert hatte, Mitgefühl und unterstützt ein Gnadengesuch. Der Prozess offenbart ein ungerechtes System, das Männer schützt und Frauen für Verfehlungen bestraft, die sie nicht allein zu verantworten haben.
Der Film «Friedas Fall» regt zum Nachdenken an. Sowohl der Regisseurin – es war das Langfilm-Debüt der Deutsch-Schweizer Regisseurin Maria Brendle – als auch den Darstellerinnen und Darstellern ist es gelungen, das Publikum auf eine emotionale Achterbahnfahrt in eine längst vergangene Zeit mitzunehmen. Der Film schafft es, den Zeitgeist und das Denken der damaligen Zeit glaubhaft darzustellen und verdeutlicht gleichzeitig Probleme, die in unserer Gesellschaft bis heute Thema sind. Er beantwortet die Frage, wie es überhaupt zu einer Tragödie wie einem Kindsmord kommen konnte, und macht die Verzweiflung sowie die Not einer Frau spürbar, die von einer von Männern dominierten und frauenverachtenden Gesellschaft im Stich gelassen wurde. Der Film zeigt aber auch, dass in jener Zeit ein Umdenken stattfand. So sind auch die Figuren im Film von der Situation hin- und hergerissen, und sowohl Kritiker als auch Verteidiger von Frieda Keller werden differenziert dargestellt.
«Friedas Fall» überzeugt auf allen Ebenen. Nicht nur das Schauspiel ist auf höchstem Niveau, auch die Kostüme, die Kulissen, das Bild, das Drehbuch und die Regie vermögen auf ganzer Linie zu überzeugen. Der Film ist wie ein Fenster ins St.Gallen des Jahres 1904, durch welches die Zuschauerinnen und Zuschauer Einblick in eine längst vergangene Zeit erhalten. Dies nicht nur, weil alle Darstellerinnen und Darsteller in feinstem St.Galler Dialekt sprechen, sondern auch, weil die Dreharbeiten zu grossen Teilen in der Stadt St.Gallen durchgeführt wurden. So dienen nicht nur der Klosterplatz und dessen Räumlichkeiten, sondern auch ikonische Schauplätze wie die Drei Weieren als Kulisse. Zur grossen Freude aller Beteiligten wurde «Friedas Fall» vergangene Woche gleich in drei Kategorien für den Schweizer Filmpreis 2025 nominiert: Julia Buchmann als beste Hauptdarstellerin, Stefan Merki als bester Hauptdarsteller und Rachel Braunschweig als beste Darstellerin in einer Nebenrolle. Die Preisverleihung findet am 21. März statt.
Selim Jung
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