Alessandro Pippia
Ist Europas einziger Autogramm-Experte.
KOMMENTAR
Das St.Galler Stadtparlament hat den städtischen Steuerfuss um drei Prozent von 144 auf 141 Steuerfuss-Prozente gesenkt. Die Bürgerlichen haben geschlossen für eine Steuerfuss-Reduktion gestimmt. Anfänglich erschien eine Steuerfuss-Senkung als höchst unwahrscheinlich, weil die Ausführungen des Stadtrates zum Budget so pessimistisch wie in den letzten Jahren nicht mehr ausfielen. Auch machte der Stadtrat klar, dass die Rechnung 2018 voraussichtlich nicht mit einem grossen positiven Überschuss abgeschlossen werde, wie dies in den letzten Jahren noch regelmässig der Fall war. Das Budget rechnete auch mit dem ursprünglichen Steuerfuss mit einem Aufwandüberschuss von neun Millionen und der Unterdeckung der Invesititonsrechnung von 31 Millionen Franken.
Trotzdem prellte die CVP schon früh vor und kündigte überraschend an, einen Antrag auf Reduktion des Steuerfusses zu stellen – allen Unkenrufen des Stadtrates zum Trotz. Da wollten die FDP und die SVP nicht nachstehen und schlossen sich den Forderungen der CVP an. Selbst die Grünliberalen widersetzten sich der Steuerfuss-Senkung nicht. In der Bevölkerung wurde die Ankündigung mit Genugtuung aufgenommen, da der Stadtrat schon vor einigen Jahren erklärt hat, den Steuerfuss auf das kantonale Mittelmass senken zu wollen, was er jetzt allerdings nicht mehr auf seine Fahnen geschrieben hat, weil dies unrealistisch ist.
Aufgrund dieser Phalanx liess sich der Stadtrat, der natürlich angesichts der angespannten Finanzsituation keine Steuerfuss-Reduktion beantragt hatte, nicht mehr in einen grossen Kampf ein. Und das Unwahrscheinliche wurde trotz der starken Opposition von SP und den Grünen Wirklichkeit. Diese linken Fraktionen hätten auch die Möglichkeit gehabt, das Ratsreferendum zu beantragen und durchzusetzen. Sie liessen aber davon ab, was verständlich ist: Es wäre trotz absehbarer Verschärfung des Sparkurses kaum möglich gewesen, die Steuerpflichtigen zu einem Nein zu bewegen. Der Souverän ist fast immer für Steuererleichterungen zu haben und die damit verbundene Finanzknappheit wird weniger gewichtet, umso mehr, als immer wieder behauptet wird, so könne man die Behörden am besten zum Sparen zwingen. So war es auch im Vorfeld der Steuerdebatte in St.Gallen: Eine Steuerfuss-Senkung sei die beste Kostenbremse, hiess es populistisch. Dabei macht die Steuererleichterung bei Normalverdienern nur zwei Abendessen in einem Gourmet-Lokal aus, für die Stadt sind es aber gesamthaft fünf Millionen, die sie an Einnahmen verliert. Doch zugegeben: Es wird ein politisches Signal gegeben, nachdem die Gemeinden rund um St.Gallen Steuerfuss-Senkungen vorgenommen haben. St.Gallen zieht jetzt hier mit, allerdings in einem wesentlich kleineren Ausmass.
Klar, machte es sich die Mehrheit des Stadtparlaments einfach. Sie überlässt es dem Stadtrat zu entscheiden, wo nun zusätzlich der Sparhebel anzusetzen ist. Dabei hat sie für die meisten Stellen, die nächstes Jahr geschaffen werden, bereits grünes Licht gegeben, namentlich für die freiwilligen Betreuungsangebote in den Schulen, die immer gefragter sind. Bei den Sozialausgaben lässt sich auch kaum der Sparhebel ansetzen, da die zu erbringenden Leistungen weitgehend vorgegeben sind. So ist der Stadtrat in hohem Masse gefordert, denn sein Spielraum ist nicht gross. Das Hinausschieben von Investitionen hat auch seine Schattenseiten, denn die Attraktivität der Stadt könnte darunter leiden. Doch so ganz aus der Verantwortung kann sich das Stadtparlament nicht stehlen. Wer A sagt, muss auch B sagen. Auch dieses muss bei den künftigen Vorlagen darauf achten, dass höchst sparsam mit den Mitteln umgegangen wird. Denn die künftigen Finanzpläne sehen eine massive Steigerung der Defizite vor und im Finanzplan für 2022 ist ein Ausgabenüberschuss von 43,4 Millionen budgetiert (ohne Berücksichtigung der jetzigen Steuerfuss-Senkung). Wenn nur nicht eine Steuerfuss-Erhöhung unumgänglich wird… Denn der Eigenkapitalbestand von 107,5 Millionen Franken wird nicht reichen, um die prognostizierten Ergebnisse der nächsten vier Jahre abzudecken. Dann schreibt das Finanzrecht ein ausgeglichenes Budget vor. Davon aber möchte die Mehrheit des Stadtparlaments wohl lieber nichts wissen und setzt erneut auf Finanzwunder, wie sie in den letzten Jahren regelmässig vorgekommen sind.
Franz Welte
Lade Fotos..