«Ich fühlte mich wie ein Analphabet»
Masihullah Haidary musste aus seiner Heimat flüchten. Der Anfang in der Schweiz war nicht einfach, aber dank der Hilfe von Tipiti und seiner Lehrerin Angelica Schmid konnte er im Sommer eine Lehre als Elektromonteur beginnen.
Migration Masihullah Haidary, der sich Masi nennt, lebt seit vier Jahren in der Schweiz. Seine Heimat, Afghanistan, musste er verlassen. «Dort war ich nicht mehr sicher», erinnert er sich. Seine Familie musste er zurücklassen. Mittlerweile lebt diese aber ebenfalls in der Schweiz. Der 22-Jährige reiste alleine hierher. Angekommen, war ihm alles fremd. Die Ankunft sei für ihn sehr schwierig gewesen. «Ich fühlte mich wie ein Analphabet. Ich konnte weder lesen noch schreiben. Verständigen konnte ich mich anfangs nur in Englisch.» Ihm wurde schnell bewusst, dass er Deutsch lernen musste, wenn er ein normales Leben in der Schweiz führen wollte.
Unterricht hilft, Defizite zu beseitigen
Zuerst wohnte Masi in einem Asylzentrum im Thurgau. Später zog er dann nach Trogen in eine WG. «Flüchtlinge dürfen ohne eine Bewilligung nicht in die Schule. Daher war ich froh, dass ich doch einige Deutschkurse besuchen konnte», erzählt der Afghane. Im Februar 2018, nachdem er seine Aufenthaltsbewilligung erhalten hatte, wurde er dann an das Tipiti Lern- und Werkzentrum verwiesen. Dort besuchte er fünf Tage in der Woche die Schule. «In den Schulkursen werden die jungen Flüchtlinge in Fächern wie Deutsch und Mathematik unterrichtet. Es gibt aber auch viel Allgemeinbildung, die vermittelt wird, um Defizite in diesem Bereich zu beseitigen», erklärt Angelica Schmid, Masis ehemalige Lehrerin. Dieser erzählt, dass das Deutsch lernen am Anfang schwierig war. «Deutsch ist eine schwierige Sprache. Ich wusste aber immer, dass ich diese Sprache lernen muss, um hier arbeiten und leben zu können.» Seine Betreuerin stimmt zu. Deutsch sei der Türöffner in die Arbeitswelt.
Berufe kennen lernen und eine Lehrstelle finden
Nebst dem Unterricht, der im Werkzentrum am Morgen stattfindet, besteht am Nachmittag die Möglichkeit, verschiedene Berufe kennen zu lernen und sich auch für Lehrstellen zu bewerben. «Es sind überraschend viele Betriebe bereit, einen Flüchtling einzustellen. Vor allem in den Berufen, die bei Schweizer Jugendlichen nicht beliebt sind», so Schmid. Das Ziel von Tipiti sei, die Flüchtlinge möglichst kurz zu beschäftigen. «Wir haben die Jugendlichen natürlich gerne bei uns, aber wir wünschen uns, dass sie schnell eine Lehrstelle finden.»Für den Arbeitsmarkt sei es wichtig, Flüchtlinge einzugliedern. So können wieder mehr Stellen, die nicht so beliebt sind, besetzt werden.
Lehre als Elektromonteur
Masi erzählt von einem Kollegen, der beinahe zweihundert Bewerbungen versendet hat und trotzdem keine Stelle bekam. Er selbst habe nur fünfzehn Bewerbungen geschrieben, bis ihm sein jetziger Ausbildner nach einem Schnuppertag die Lehrstelle anbot. Seit letztem Sommer befindet er sich nun in der Ausbildung zum Elektromonteur und ist sehr motiviert. Der Beruf gefalle ihm gut und er könne sich sogar vorstellen, nach der Lehre eine Weiterbildung zu absolivieren. Der Stoff, den die Auszubildenden in der Berufsschule erlernen, sei eigentlich nicht schwierig, sagt der Lehrling, der in seiner Heimat die Matura absolviert hat. Nur mit der Sprache habe er gelegentlich Probleme. «Ich denke, dass Flüchtlinge viel mehr lernen müssen als Schweizer, die dieselbe Lehre absolvieren.» Vor dem ersten Tag in der Lehre hatte der 22-Jährige ein wenig Angst, wie er zugibt. Er habe aber schnell gemerkt, dass es einfacher als gedacht sei.
Leben ohne Angst
«Für mich war es eine grosse Erleichterung, arbeiten gehen zu können. Ich möchte nicht nur zu Hause rumhängen und nichts tun dürfen», sagt Masi. Er wünscht sich, dass es auch anderen Flüchtlingen gelingen kann, eine Ausbildung zu starten. Der 22-jährige ist sehr froh, hier endlich ohne Angst leben zu können. «Man muss sich nicht dauernd fragen, was morgen passieren wird. Man fühlt sich einfach frei.»
Von Rebecca Schmid