Geigerzähler schlägt aus
2018 stimmt die Schweiz über die «Vollgeld-Initative» ab. Die Schweizerische Nationalbank hat Bedenken. Ein Vollgeldsystem bestehe heute in keinem Land, würde einen radikalen Umbau des heutigen Finanzsystems bedingen und sei ein unnötiges und gefährliches Experiment. Mitinitiant Dr. Reinhold Harringer, ehemaliger Leiter städtisches Finanzamt St.Gallen, widerspricht.
Geldprobleme Hans Geiger, emeritierter Bankenprofesor aus Zürich, gehört zu den vehementesten Gegnern der Initiative. Er ortet sogar Parallelen zum «Kommunistischen Manifest» von Marx und Engels. «Hinter dieser Inititative steht eine Ideologie, die weder liberal noch modern ist, sondern extrem etatistisch, in mancher Beziehung marxistisch.» Es stehe etwa im Abstimmungstext, dass die «Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschliesslichem Monopol» gefordert sei. Die Gegner reden von einer «radikalen» Änderung. Doch Reinhold Harringer, Mitinitiant der Initiative, widerspricht: «Die heutige Zwitterstellung der Zahlungskonten ist rechtlich ein Unding. Die Zahlungskonten der Kunden nur zu verwalten, ist technisch kein Problem: Die Banken führen auch Wertschriftenkonten für ihre Kunden. Der Zahlungsverkehr wird in den nächsten Jahren durch neue Technologien, viel weniger durch die Vollgeld-Initiative beeinflusst. Banken sollen nur noch Geld verleihen, welches sie von Dritten bekommen haben: Damit kehren wir zum traditionellen Bankverhalten zurück – wo ist da die radikale Änderung?» Sein Fazit: Die Vollgeld-Initiative sei nicht radikal, sondern eine Besinnung auf das traditionelle Bankgeschäft: Banken sollten Geld verleihen, vermitteln, aber nicht selber schaffen. Dies sei Aufgabe der SNB.
Gefährliches Element
Die Initiative sei ein «unnötiges und gefährliches Experiment», meinen die Gegner. Hans Geiger stimmt dem zu. «Bankkunden müssten mit ihrem Geld anstelle der Steuerzahler den Staat finanzieren. Würde die SNB nur ein Viertel des neu erhaltenen Sichtgeldes verschenken, wäre sie eine «Banca Rotta», hätte mehr Schulden als Anlagen, ein negatives Eigenkapital: Leergeld statt Vollgeld. Und skurrilerweise wäre das erste Todesopfer der Initiative die Postfinance. Sie ist der grösste Anbieter von Sichtgeldern und Zahlungsverkehr.» Die SNB tue so, als ob wir heute keine Risiken hätten und die heutige Situation nicht auch ein Experiment mit unklarem Ausgang wäre, meint hingegen Reinhold Harringer. Dabei führe die heutige Methode der Geldschöpfung zu einer immer höheren Verschuldung der Gesellschaft. In der Schweiz seien die Hypothekarschulden im internationalen Vergleich sehr hoch. Der SNB würden aber die notwendigen Instrumente fehlen, um eine Deflation wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Zinspolitik funktioniere nicht mehr, zeigt sich Harringer überzeugt.
Kein anderes Land?
Das heutige System habe sich nicht durchgesetzt, weil es gut ist, sondern weil die Banken weltweit eine sehr starke Stellung hätten. Die Kommissionen des Nationalrates und des Ständerates hätten die Vollgeld-Initiative unter anderem mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Vollgeld-Initiative die Finanzkrise 2008 nicht hätte verhindern können. Dieses Argument sei reine Polemik: Es sei offensichtlich und völlig unbestritten, dass ein Vollgeld-System allein in der Schweiz die in den USA aufgebaute Blase nicht hätte verhindern können. Was heisst das jetzt alles? «Das wird die Zukunft weisen. Aus Sicht vieler Fachleute sind die Eigenkapitalvorschriften nach wie vor ungenügend», so Reinhold Harringer. Hans Geiger hat grundsätzliche Probleme: «Bankkunden müssten mit ihrem Geld anstelle der Steuerzahler den Staat finanzieren.» Die Initianten würden aber sehr professionell vorgehen.
Das sieht man auch bei einer e-mail-aktion, die Geiger erreicht hat. Dabei werden die Leute aufgefordert, Nationalräten im betreffenden Kanton eine individuelle Mail zu schreiben. Mit der Bitte, die Vollgeld-Initiative zu unterstützen. Heute wird sie im Nationalrat behandelt.
ra