Edelmetall mit steigendem Kurs
Heavy Metal ist in St.Gallen eher eine Randerscheinung. Das zeigt auch der bescheidene Aufmarsch bei „Obsidian black“ und „Bollocks“ in der Grabenhalle. Das „Rock in town“-Festival bewies aber eindrücklich, dass auch in unserer Gegend Qualitätsstahl geschmiedet wird.
Heavy Metal „Bollocks“ sind alte Haudegen. Die Wurzeln der Band gehen zurück ins Jahr 1978, damals spielte man hauptsächlich Covers. Die Truppe steht auf schörkellosen Hardrock und spielt ihn auch so. Straighte Songs, die kompositorisch eindeutig in der 80er-Tradition stehen. Dicke Rockstar-Posen gehören ebenso dazu wie die hymnenhaften Refrains, mit dem Bands dieser Stilrichtung steigen und fallen können. „Solide“ ist das richtige Wort dafür – die Routine der Band ist nach 40 Jahren augenscheinlich. Das klassische Programm beim Song-Aufbau: Chorus, Strophe, Bridge und Songstruktur der Band erinnern an diverse Achtziger Schwanzrock-Helden, die Riffs sind deutlich von AC/DC geprägt, so wie bei vielen Bands. Die motivierte Truppe findet die richtige Balance aus Wildheit und eingängigen Melodien; nicht jeder Refrain sitzt, dafür ist der Coolness-Faktor hoch. Es wird auch ein brandneuer Song präsentiert, ansonsten gibt es immer wieder Reminiszenzen an die Anfangszeiten der Band. Und sofort sind auch die Musiker wieder die Jungs von damals. Ein zeitloses Vergnügen.
Songs wirken erdiger
Dass beim Headline „Obisidian black“ die Halle immer leerer wird, liegt mit Sicherheit nicht am couragierten Auftreten der Band, die mit einer grossen Spielfreude während des ganzen Gigs besticht. Hochmotiviert spielt die Band ihr Programm und lässt sich die gute Laune glücklicherweise nicht verderben. Die verbliebenen Anwesenden erkennen die Klasse der Band schnell, der Gig nimmt von der ersten Sekunde Fahrt auf. Sänger Marco Predicatori beherrscht die grossen Posen, bringt eine starke Leistung. Man merkt ihm die bereits lange Erfahrung auf der Bühne sofort an, einer, der das Publikum führen kann. Wenn es denn da ist. Unbeirrt haut die Band Songs ihrer EP „Lights in the dusk“ raus, wobei vor allem der Titeltrack ein echter „Grower“ ist, der auch live noch einmal an Tiefe gewinnt. Ohnehin legt die Band im Vergleich mit den Studioaufnahmen härtetechnisch noch einmal eine Schippe drauf, die Songs atmen mehr, wirken erdiger. Das Leben ist hart, Metal ist hart, er muss diskutiert und interpretiert werden. Dieser Musikstil ist deshalb umstritten, weil er offen in der Bedeutung ist - und genau deshalb aneckt. Heavy Metal ist bedeutend diversifizierter, als dies sein Ruf vermuten lässt. Das Pathos und die Klischees gehören dazu – doch hier wollen sie nicht umschifft werden, sondern sind im Gegenteil Teil der eigenen Identität. Man zelebriert geradezu, was viel andere peinlich finden. Damit kann man sich auch bewusst abheben.
Herausragend soliert
Das Brüderpaar Giorgio und Oscar Chinellato hat sich rechts auf der Bühne positioniert, Giorgios Stage-Acting ist prägnant, eine dauernde im Rhythmus wippende Vorwärts und Rückbewegung, mit der er seine Bassläufe unermüdlich in die Gegend pumpt. Das Dauergrinsen verschwindet nie – das ist der wahre Metal-Spirit. Neu-Drummer Daniel Maggi wirkt schon wie ein alter Hase in der Band, bei einem neuen Bandmitglied ist es wie mit dem Schiedsrichter: Fällt es nicht auf, hat es seine Aufgabe gut gelöst, der treibende Groove treibt die Band immer weiter an. Herausragend klarer akustischer Höhepunkt sind die Solis von Leadgitarrist Michal Edvi. Warmer Klang, melödiös, technisch ausgereift; seine bescheidene Selbstwahrnehmung wird definitiv anders wahrgenommen. Man hört, dass Edvi lange an seinen Solis lange gefeilt hat. Er „nudelt“ keine endlosen Lines und Skalenläufe, es ist kein „Griffbrettgewichse“, das nur auf Effekten beruht. Das Timing stimmt und so darf man sagen, dass Edvi ein Teil einer hungrigen Band ist, die weiter ihren Weg gehen wird. Denn der Heavy Metal, er kann nicht sterben. Jedenfalls so lange nicht, wie „Obsidian black“ noch auf der Bühne stehen.
Von René Alder