British steel is b(l)ack
Es gibt Musiker, die verstehen es als ausdrückliches Kompliment, wenn man ihnen sagt, dass sie partiell nach dem Jahre 1981 klingen. Die Ostschweizer Heavy-Metal-Band «Obsidian Black» setzt mit ihrer 6-Track-EP «Lights in the dusk» ein erstes bemerkenswertes musikalisches Ausrufezeichen.
Stahlbad Am 8. September spielt die schon etwas gereifte «Nachwuchshoffnung» anlässlich des «ROCK in TOWN» Festivals in der Grabenhalle in St.Gallen.Ein Muss für Fans harter und gleichzeitig melodiöser Klänge.
Zeitlose Kunst
Was für andere anachronistisch klingt, ist für den Metal-Fan zeitlose Kunst. Ihm ist es egal, ob 1981 oder 2018 auf dem Kalender steht. Die Loyalität der Fans begleitet die Bands oft über mehrere Jahrzehnte. Es ist kein Zufall, dass Michael Edvi (Rhythm/Lead Guitars) und Giorgio Chinellato (Bass Guitar) die Schlachtschiffe «Iron Maiden», «Judas Priest» und «Saxon» als ihre Lieblingsbands bezeichnen. Beim Riffing lugen «Judas Priest» öfters unter der Bettdecke hervor, «Saxon» sind bei der Vielseitigkeit zu erwähnen - von zugänglichen, eingängigen Passagen bis zu verschachtelten Arrangements ist auch bei «Obsidian black» alles zu finden. Sänger Marco Predicatori trifft die Töne sauber und hat den eigenen Stimmcharakter, den eine solche Band bracht. Eine gewisse Polarisierung gehört hier zum guten Ton. Die Riffs klingen nicht völlig abgedroschen und haben Wiedererkennungwert. Das Ganze klingt nicht nach einer halbbatzigen Aufwärmübung, sondern nach Überzeugungstätern, die den Hardrock entschlossen auf die musikalische Landkarte zurückbringen möchten. Die Band braucht nicht auf Radiotauglichkeit zu schielen, deshalb muss hier nicht nach 50 Sekunden bereits der Refrain ertönen oder nach vier Minuten Ende der Fahnenstange sein. Kommerzielle Überlegungen spielen bei «Obsidian black» keine Rolle.
Trotzdem hat die Band mit «Change the world» eine Nummer mit echtem Hit-Potenzial im Angebot. Das wäre die klassische Single-Auskopplung und dürfte auch live für Mitsingchöre sorgen. Die Band zeigt sich als bereits gut eingespieltes Kollektiv - nach diversen Wechseln in der Vergangenheit hat man jetzt ein stabiles Line-Up zusammen. Zu diesem Line up gehören auch Oscar Chinellato (Rhythm /Lead Guitars) und Dani Maggi (Drums). Das ist wichtig, denn das Zusammenwachsen, das musikalische Ineinanderfliessen der einzelnen Musiker ist nach wie vor eine äusserst relevante Geschichte. Eine echte Band ist auch eine echte Einheit.
Abbild der Welt
«Schlager ist für Träumer da, Heavy Metal für Realisten», lacht Michael Edvi. Die Band setzt auf Eigenkompositionen, weil eigene Songs zu spielen einfach mehr Spass macht. 16 Songs hat die Band bereits geschrieben, die ersten sechs hat man auf der EP «Lights in the dusk» veröffentlicht. Sollten die neueren Songs tatsächlich noch einmal eine Steigerung zum alten Material darstellen, darf man «Obsidian black» ein wirklich gutes Zeugnis ausstellen. Doch bereits auf der EP überzeugt die Band mit klassischem Heavy-Metal-Stoff, der trotz aller beabsichtigten Einflüsse auch bereits mit individuelle Facetten aufweist. Hier geht es um das Fortführen einer Tradition, nicht um das Hecheln nach dem nächsten Trend.
Und eigentlich, ja eigentlich, hätten «Obsidian Black» durchaus auch heute noch eine Zielgruppe. Problem: Die kriegt ihren Arsch kaum mehr hoch, ist oft zum reinen Sofatäter verkommen. Herrje, gebt euch einen Ruck und kommt am 8. September in die Grabenhalle. Ein äusserst moderater Eintrittspreis und das Gastspiel der etablierten Band «Bollocks» sind beste Gründe dafür. Es ist verständlich, wenn man nicht mehr in alle Welt fahren will, aber wenn vor der Haustüre ein derart starkes Package spielt, herrscht für Heavy-Fans Anwesenheitspflicht.
Wie hiess es früher? «Support your local metal Underground» – das gilt auch im Jahre 2018. Obisidian black – British steel is b(l)ack!
New Wave of British Heavy Metal
Die NWOBHM (New Wave of British Heavy Metal) sorgte Ende der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre für ein musikalisches Erdbeben. Junge englische Bands orientierten sich an den Flaggschiffen «Black Sabbath» und «Judas Priest», doch auch die Punk-Bewegung auf der Insel hinterliess deutliche Spuren im Sound. Auch die ersten beiden Alben von «Iron Maiden» hatten eine klare Punk-Kante, die später keine Rolle mehr spielte. Besonders schön sieht man diese Einflüsse etwa bei der Band «Tank», deren Album «Filth hounds of Hades» eigentlich in jeden Härtner-Schrank gehört aber leider nur bei den Wenigsten den Weg ins Plattenregal gefunden hat. Doch mit der NWOBHM werden auch andere Variationen in Verbindung gebracht. Es gibt viele vergessene Perlen, die darauf warten, wieder entdeckt zu werden. «Saracen» spielten eine brillante Mischung aus «Magnum», «Marillion», Siebziger-Einflüssen und epischen Arrangements der Metal-Anteil kommt dank der wuchtigen Rhythmus-Gitarre zum Tragen. «Jameson Raid» machten fast schon poppige Musik, zählen aber ebenso dazu wie die klassischen hymnenhaften Faustreck-Sounds von «Grim Reaper» oder die mystischen Klänge der Melodienzauberer «Demon», die vom Okkult-Rock zum Progressiven Hardrock fanden. Und auch noch später zauberten: Das 1989 erschienene «Taking the world by storm» ist ein grossartiges Album, das sich Heavy-Metal-Fans unbedingt einmal zu Gemüte führen sollten. Man sieht: Es gibt viel zu entdecken.
Von René Alder