Die Erfüllung eines Bubentraums
Der langjährige Otmar-Spieler Tobias Wetzel spielt seit dieser Saison im Land des Weltmeisters
Während zehn Jahren spielte Tobias Wetzel für das Fanionteam des TSV St.Otmar, nachdem er davor seit seinem Wechsel von Fides zu den U15-Junioren alle Nachwuchsstufen bei Gelb-Schwarz durchlaufen hatte. Doch im Sommer lockten das Abenteuer und die sportliche Herausforderung den inzwischen 28-Jährigen nach Dänemark.
Handball «Es war immer mein Traum einmal im Ausland zu spielen und die nordischen Länder reizten mich schon lange. Deshalb war für mich klar, dass ich diese Chance nutzen möchte», erklärt Tobias Wetzel, weshalb er sich am 1. Juli nach Kopenhagen aufmachte, um beim Club HØJ Elitehåndbold in der zweithöchsten dänischen Liga anzuheuern. Den Transfer zum Club, der aus einer Fusion der Vereine von Ølstykke und Jyllinge hervorging - zwei Kleinstädten im Vorortsgebiet von Kopenhagen - fädelte Bo Spellerberg ein. Der 245-fache dänische Internationale hatte von 2018 bis 2020 während zwei Jahren als Spielertrainer des TSV St.Otmar gewirkt und danach als spielender Assistenztrainer zu HØJ gewechselt. «Auch mit 42 Jahren dirigiert er unser Spiel in der Offensive», erzählt Wetzel und man spürt den Respekt für den Mann, der in seinem Heimatland eine Legende seiner Sportart ist. Neben Wetzel verpflichtete der Verein von der dänischen Hauptinsel Seeland mit dem Deutschen Max Höning einen weiteren Spieler von St.Otmar, was die Integration für das Duo erleichterte. «Ich konnte mich gut ins Team einbringen, bekomme in der Offensive als Kreisläufer sehr viel Spielzeit und stehe im Mittelblock auch defensiv jeweils von Beginn an auf dem Platz», erklärt Tobias Wetzel zur sportlichen Sicht seines im Juli begonnenen Abenteuers.
Schneller, aber weniger körperbetont
Ob die sportlichen Erwartungen erfüllt seien, könne er allerdings erst Ende Saison sagen, denn sein klares Ziel sei der Aufstieg. Aktuell spielt HØJ noch in der 1. Division und damit in der zweithöchsten dänischen Liga. Der Club habe als Zielvorgabe für diese Saison einen Platz unter den Top 3 ausgegeben, erzählt Wetzel. Nach einer Doppelrunde mit insgesamt 26 Spieltagen steigt der Erstplatzierte direkt auf, der Zweite und der Dritte ermitteln in einem Playoff, wer in einer Barrage gegen den Zweitletzten der Håndboldligaen um den Aufstieg spielen darf. Das Niveau der zweiten dänischen Liga sei auf jeden Fall gut und die Spiele verliefen bisher sehr ausgeglichen. «Meine jetzige Mannschaft mit Otmar zu vergleichen, ist schwierig, weil wir einen ganz anderen Handball spielen. Das Spiel hier ist aber auf jeden Fall schneller und das technische Niveau etwas besser, dafür wird weniger körperlich gespielt als in der Schweiz», analysiert der Kreisläufer. In der 1. Division spielten nur wenige Profis, die meisten Spieler würden studieren oder einer Arbeit nachgehen. «Ich arbeite neben dem Handball zu 30 bis 50 Prozent als Freelancer für das gleiche Ingenieurbüro wie davor in der Schweiz», erzählt der 28-Jährige. Allerdings liege der Hauptfokus aktuell klar auf dem Handball, schliesslich sei er dafür nach Dänemark gekommen. Für ein zweistündiges Training mit Ausdehnen sowie An- und Rückfahrt von Kopenhagen nach Ølstykke benötige er rund einen halben Tag. Die Fahrt von der Gross- in die Kleinstadt dauere je nach Verkehrslage zwischen einer halben und einer ganzen Stunde.
Handball geniesst hohen Stellenwert
Die Heimspiele trägt das Team in Jyllinge vor jeweils 500 bis 600 Zuschauerinnen und Zuschauern aus. «Die Halle ist kleiner als die Kreuzbleiche, dafür wird es etwas lauter», so Wetzels Einschätzung. Er räumt ein, dass er weder Ølstykke noch Jyllinge gut kennt, da er seine freie Zeit in Kopenhagen verbringt. «Die Stadt ist sensationell zum Leben. Jeden Tag läuft irgendein Event. Es ist schon etwas eine andere Grössenordnung als St.Gallen», lacht Wetzel und erklärt, Kopenhagen sei von der Lebensqualität und der Grösse her etwa mit Zürich vergleichbar. Mit HØJ trifft der St.Galler in der Meisterschaft auf zwei Teams aus Kopenhagen, wobei die Spielvereinigung aus der Provinz gegen Ajax kürzlich gewann und auch gegen FIF als Favorit antritt. Kopenhagen ist mit keinem Verein mehr in der höchsten dänischen Liga vertreten. «Handball ist auf dem Festland Trumpf, hier liegt der Fokus mehr auf Fussball», versucht Wetzel diesen Umstand zu erklären. Wobei der Handball auch auf Seeland einen ganz anderen Stellenwert geniesst als in der Schweiz. «Handball wird hier genauso im Fernsehen übertragen wie bei uns Fussball. Wenn man mit Bo in Kopenhagen unterwegs ist, wird man erkannt und angesprochen - wenn auch nur wegen ihm», lacht Wetzel, der in Dänemark einen Zweijahresvertrag unterschrieben hat. Diesen werde er auf jeden Fall erfüllen und da es ihm so gut gefalle, könne er sich auch vorstellen, länger zu bleiben. Auf jeden Fall lernt Wetzel fleissig Dänisch. «Ich besuche zweimal pro Woche während zwei Stunden den Unterricht. In den Trainings und Mannschaftssitzungen wird Dänisch gesprochen und ich verstehe es schon ziemlich gut», erzählt Wetzel. Auch wenn er privat unterwegs sei, versuche er sich in der Sprache der Einheimischen.
Kollegen online mitverfolgen
Obwohl er sich in seiner neuen Heimat bereits gut eingelebt hat, verfolgt der langjährige Otmar-Akteur ziemlich genau, wie es seinen Kollegen in St.Gallen ergeht. «Klar, schliesslich spielen dort meine besten Kollegen. Ich habe mehrere Spiele online live verfolgt und mich über den guten Saisonstart gefreut», sagt der letztjährige Otmar-Captain. «Ich spüre zwar langsam, dass ich meinen Körper ziemlich geschunden habe, aber sollte ich verletzungsfrei bleiben und in die Schweiz zurückkehren, würde ich mich natürlich freuen, dereinst nochmals für St.Otmar aufzulaufen», so Wetzel. Doch erst einmal hat der 1,94m grosse Modellathlet andernorts hohe Ziele, möchte er doch nächstes Jahr in der höchsten Liga im Land des Weltmeisters spielen.
Von Tobias Baumann