«Nicht nur jammern, dass wir weniger und älter werden»
Kirchenpark Appenzeller Hinterland als Vereinigung von vier Kirchgemeinden
Am 25. September stimmen die Kirchbürgerschaften der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden Herisau, Schönengrund, Schwellbrunn und Waldstatt über einen Zusammenschluss zur Evangelisch-reformierten Kirche Appenzeller Hinterland ab. Heute lanciert die Steuerungsgruppe die Informationskampagne.
Kirchgemeindehaus «Ja, ich bin guter Dinge, dass sich die Kirchbürgerinnen und Kirchbürger für den Zusammenschluss aussprechen werden», erklärt Uschi Hofmänner, die der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Herisau seit 14 Jahren und noch bis Ende Mai als Präsidentin vorsteht. Vereinzelt höre sie in Herisau zwar Stimmen, man sei selbst gross genug und brauche die anderen Kirchgemeinden nicht, aber totale Ablehnung sei ihr nie begegnet. «Vielleicht sagen es mir die Gegner auch einfach nicht. Aber grundsätzlich bin ich optimistisch für dieses zukunftsweisende Projekt Kirchenpark», so Hofmänner. Aus Sicht der Steuerungsgruppe biete ein Zusammenschluss verschiedene Vorteile. So könne man dank der Zusammenarbeit Ressourcen sparen. Ausserdem brauche es weniger Ehrenamtliche für die verschiedenen Verwaltungsgremien. «Diese Freiwilligen zu finden, ist jedes Mal ein Riesenchrampf und es braucht 15 bis 30 Telefonate», sagt Hofmänner. Und während man in Herisau die Ämter letztlich immer habe besetzen können, suche beispielsweise die Kirchgemeinde Waldstatt schon länger vergebens nach einem Präsidenten. «Und es gibt verschiedene Personen, die gerne zurücktreten würden, es aber nicht tun, weil keine Nachfolgelösung in Sicht ist», so Hofmänner. Synergien zu nutzen könne nicht nur den Aufwand reduzieren und Personalengpässen entgegenwirken, sondern auch zu einem attraktiveren Angebot für die Gläubigen führen, sind Hofmänner und ihre Mitstreiter der Steuerungsgruppe überzeugt.
Gemeinde schrumpft
Für das Personal biete ein Zusammenschluss ebenfalls Chancen. «In der regionalen Zusammenarbeit könnten sich die Seelsorger gemäss ihren Stärken einbringen», findet Hofmänner. Auch bei den Pfarrpersonen bestünde je länger je mehr ein Mangel, eine attraktive Kirchgemeinde sei bei der Suche im Vorteil. Ein grösseres Team ermögliche ausserdem eine bessere Durchmischung. Für den Religionsunterricht würden auch grössere Pensen möglich, was die Suche nach Lehrpersonen erleichtere. Wenn Ängste vor einem Identitätsverlust bestünden, müsse man diesen mit guten Argumenten entgegentreten. «Es werden weiterhin alle vier Kirchen bespielt. Und jede Gemeinde hat weiterhin eine eigene Pfarrperson als Ansprechpartner», stellt Hofmänner klar. Ausserdem könne heute schon nicht mehr jeden Sonntag in jeder Kirchgemeinde ein Gottesdienst angeboten werden. «Wenn aber der Kirchenpark realisiert wird, geht man vielleicht eher mal in einen Gottesdienst in der Nachbargemeinde», so Hofmänner. Auch der Kern jener Personen, die sich stark für kirchliche Belange interessieren, könne gestärkt werden. «Unsere Kirchgemeinde verliert aktuell jedes Jahr rund 100 Personen und umfasst noch 5‘000 Mitglieder. Wir wollen aktiv werden und nicht nur jammern, dass wir immer weniger und älter werden», so Hofmänner.
Vermögenszusammenführung als Stolperstein
Für die abtretende Kirchenpräsidentin ist das nun vorliegende Projekt abstimmungsreif. Seit der ersten Zusammenkunft 2018 habe man einen langen Weg zurückgelegt und nicht nur in der Steuerungsgruppe, sondern auch in verschiedenen Arbeitsgruppen die mögliche zukünftige Zusammenarbeit ausgelotet. «Die Steuerungsgruppe befasste sich insbesondere mit den Strukturen, den Abläufen und der Verwaltung», erklärt Hofmänner. In der Arbeitsgruppe Pastorales hätten sich die Pfarrpersonen und Jugendarbeiter ausgetauscht. Eine Arbeitsgruppe habe sich mit dem Religionsunterricht befasst, der heute in den vier Gemeinden unterschiedlich aufgebaut ist. Und eine Gruppe habe sich mit der Zusammenführung der Finanzen und Liegenschaften beschäftigt. «Es ist natürlich, gab es in diesem Bereich auf allen Seiten Befürchtungen, dass man zu kurz kommen könnte. Doch die Arbeitsgruppe war zum Glück sehr stark», erzählt Hofmänner. In der Verwaltung wurden erste Schritte der Zusammenlegung bereits vorgenommen. So werden die Sekretariate der Kirchgemeinden Schönengrund, Schwellbrunn und Waldstatt inzwischen auch aus dem Herisauer Kirchgemeindehaus heraus geführt.
Anstoss kam aus Schwellbrunn
Doch die kleinen Kirchgemeinden müssten keine Angst vor einer Herisauer Dominanz haben, ist Hofmänner überzeugt: «Was gut läuft in den Gemeinden, soll auf jeden Fall weitergeführt werden. Ausserdem erhält jede heutige Gemeinde eine Vertretung in der zukünftigen Kirchenvorsteherschaft.» Der Anstoss für einen möglichen Zusammenschluss sei ja auch nicht aus Herisau, sondern von Marcel Steiner, dem Präsidenten der Kirchenvorsteherschaft Schwellbrunn, gekommen. «Ohne ihn als Zugpferd wären wir heute sicher nicht so weit», lobt Hofmänner ihren Amtskollegen. Steiner ist denn auch für das Präsidium einer im Falle eines positiven Abstimmungsausgangs neu zu wählenden Kirchenvorsteherschaft vorgesehen. Lehnt allerdings nur eine der vier Kirchgemeinden den Zusammenschluss ab, kommt dieser nicht zustande und allfällige Kooperationen müssten neu ausgehandelt werden. Bereits im Juni muss das Projekt eine weitere Hürde nehmen: Nur wenn die Verfassungsrevision der Evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell gutgeheissen wird, werden Zusammenschlüsse der Kirchgemeinden überhaupt möglich.