Gemeindepräsidenten sehen viele offene Fragen und keine Vision
Nun schalten sich auch die Ausserrhoder Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten mit ihrem Gremium in die Diskussion um die Kantons- und Gemeindestrukturen ein. Die Gemeindepräsidienkonferenz fordert von der Regierung einen umfassenden Planungsbericht als Grundlage für eine fundierte Entscheidungsfindung, der Kantonsrat soll das Geschäft im Februar zurückweisen.
Gemeindestrukturen «Nicht alle Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten haben die gleiche Einstellung zu möglichen Fusionen, was angesichts der unterschiedlichen Ausgangslagen auch völlig logisch ist, aber in einem sind wir uns alle einig: Dieser Weg, den der Regierungsrat beschritten hat, geht so nicht», erklärt Reto Altherr, Präsident Gemeindepräsidienkonferenz AR. Sie seien nicht grundsätzlich gegen Fusionen, aber man könne diese nicht in einem einzigen Geschäft von oben verordnen. «Fusionen müssen immer Bedürfnissen und Wünschen entsprechen, sonst kommt es nicht gut», findet Altherr. Und in der aktuellen Form sei das Geschäft nicht behandlungs- und abstimmungsreif. «Es gibt viel zu viele offene Fragen, welche die Regierung vorgängig in einem detaillierten Planungsbericht klären müsste», erklärt der Gemeindepräsident von Teufen die Sichtweise der Gemeindepräsidienkonferenz. Die Fragen beträfen die gesellschaftlichen, politischen, organisatorischen und finanziellen Bereiche. «Natürlich ist eine Fusion extrem komplex und man kann nicht alles vorgängig klären, aber aktuell bestehen noch viel zu viele offene Fragen», so Altherr.
Handlungsbedarf unbestritten
Im Februar stehen im Kantonsrat die 2. Lesung der Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden», welche mit der Streichung der Gemeindenamen aus der Kantonsverfassung und Fördermassnahmen des Kantons den Weg frei machen möchte für mögliche Fusionen, und die 1. Lesung des Gegenvorschlags der Regierung an, der nur noch die vier Gemeinden Vorder-, Mittel- und Hinterland sowie Herisau vorsieht. «Wir rufen den Kantonsrat dazu auf, die Vorlagen zurückzuweisen. Wir sprechen uns nicht für Nichteintreten aus, denn es besteht zweifelsohne Handlungsbedarf. Aber erst muss zumindest ein Grossteil der offenen Fragen in einem Planungsbericht durch die Regierung beantwortet werden», erklärt Altherr. Wie das Initiativkomitee «Selbstbestimmte Gemeinden», das vor zwei Wochen an die Öffentlichkeit getreten ist und verlangt, dass jede Gemeinde über eine Fusion frei entscheiden können muss, stört sich auch die Gemeindepräsidienkonferenz daran, dass mit dem Gegenvorschlag des Regierungsrats Fusionen angeordnet würden. Der Regierungsrat wende sich damit völlig von der bisher eingenommenen Haltung ab, wonach Fusionen von den Gemeinden kommen müssten. Weshalb dieser Sinneswandel erfolgte, sei nicht ersichtlich. «Uns fehlt eine Vision des Regierungsrats vom zukünftigen Kanton Appenzell Ausserrhoden und seinen Gebietseinheiten», so Altherr.
Chancen und Risiken aufzeigen
Die Gemeindepräsidienkonferenz hat mit der Beratungsgesellschaft BDO AG Fragen aufbereitet, die ihrer Meinung nach erst zu klären wären und dem Regierungsrat und dem Kantonsrat ein 17 Seiten umfassendes Skript unterbreitet. Damit wolle die Gemeindepräsidienkonferenz einen konstruktiven und fundierten Beitrag für eine sachgerechte Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema leisten. Es müsse das Ziel sein, dass sich der Kantonsrat und am Schluss die Bevölkerung der Konsequenzen, Chancen und Risiken bewusst seien - diese umfassend und transparent aufzuzeigen sei eine Pflicht. Dass Gemeinden, die gut aufgestellt seien, weniger Druck verspürten, ihre Strukturen zu ändern, räumt Altherr als Präsident der finanzstärksten Gemeinde Ausserrhodens ein; und auch, dass die Aufgaben immer komplexer werden und für kleinere Gemeinden schwierig zu bewältigen sind. Aber es gebe ja auch andere Lösungen. Gemeinden könnten beispielsweise ihre Verwaltungen zusammenlegen.
«Es geht nicht um Pfründe»
Dass sich im Initiativkomitee «Selbstbestimmte Gemeinden» fünf Gemeindepräsidenten engagieren und sich nun auch die Gemeindepräsidienkonferenz als Gesamtgremium der 20 Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten gegen die durch den Regierungsrat vorgesehene radikale Strukturreform stemmt, sieht Altherr nicht als Verteidigung der eigenen Arbeitsstellen: «Ich bin Jahrgang 1959 und muss mir bestimmt keine Sorgen mehr machen, dass mein Amt aufgehoben werden könnte. Und ich glaube, man täte auch meinen Kolleginnen und Kollegen unrecht, wenn man sagen würde, es gehe nur um die Verteidigung der Pfründe. Für uns alle steht das Wohl der Gemeinde ganz oben!»
Von Tobias Baumann