«Aufräumen beginnt im Kopf»
Wenn einem die Unordnung über den Kopf wächst, schafft die online «AufräumQueen» Mylène Alt aus Herisau Abhilfe.
Aufräumen «Eine Grundlage für ein geordnetes Wohnen ist, dass alles seinen definierten Platz hat. Und genau damit tun sich viele Leute schwer, auch wenn sie eigentlich wissen, dass sie die Sachen schon ewig nicht mehr verwendet haben», erklärt Mylène Alt. Umso mehr herumliegt, desto tiefer sei die Hemmschwelle, noch mehr herumliegen zu lassen, nach dem Motto: Jetzt spielt es auch keine Rolle mehr. «Tun das mehrere Personen in einem Haushalt, sieht es schon bald flächendeckend chaotisch aus. Speziell die Mütter wollen Vorbilder sein zu diesem Thema, scheitern an ihrem eigenen Perfektionismus und die Glaubwürdigkeit steht auf wackeligen Beinen», so die «AufräumQueen».
Der Ansatz, eine grössere Wohnung würde automatisch ordentlicher werden, sei aber genauso verlockend, wie trügerisch. Die Unordnung werde nur auf mehr Raum verteilt. In Onlineseminaren bietet Alt ihre Hilfe beim Aufräumen an. «Früher bin ich jeweils zu den Leuten nach Hause. Das brachte aber lange Anfahrtswege mit sich. Online klappt das super und die Leute schätzen auch, dass ich nicht neben ihnen stehe und sie ständig kontrolliere», erklärt die «AufräumQueen». Doch wie wird man eigentlich «Aufräumcoach»? 2009 sehnte sich Mylène Alt nach einer neuen Herausforderung: «Ich erinnerte mich daran, wie viele Kollegen und Vorgesetzte mich fragten, wie ich es so mühelos schaffen würde, als Direktionsassistentin und spätere Projektleiterin jederzeit den Überblick zu behalten, für mich und den Chef.»
Auch Tipps zur besseren Organisation konnte sie ihren Mitarbeitern geben. Beispielsweise um dem Papierkrieg Herr zu werden. Wie oft werden Dokumente mehrfach zur Hand genommen, kurz angeschaut und dann woanders wieder abgelegt. «Das gibt einem das Gefühl, man hätte sich damit befasst, tatsächlich hat sich aber kaum was bewegt. Wer experimentierfreudig ist, soll doch jedes Mal, wenn er zum Beispiel ein ausgedrucktes Mail zur Hand nimmt, ein rotes Pünktchen oben rechts machen. Einer meiner Kunden hatte satte sieben davon, bevor er mir der wirklichen Bearbeitung startete», erklärt die «AufräumQueen».
Dies gelte auch für zu Hause. «Wenn ich einen Brief bekomme, werfe ich den Umschlag direkt ins Altpapier und entscheide, was ich mit dem Inhalt mache. Ist es eine Einladung entscheide ich, ob ich teilnehme, ist es eine Rechnung kommt sie nach der Bezahlung in den entsprechenden Ordner, und wenn ich es nicht benötige, wird es entsorgt oder abbestellt», erklärt Alt.
«Chaoten sind oft die grössten Perfektionisten»
Unordnung sei meist ein Symptom von Überforderung und Unklarheiten im eigenen Leben. «Wenn wir zu viel Energie für diese Dinge aufwenden, fehlt sie uns für das Aufräumen», so Alt, «wenn diese Frage geklärt ist, muss ich das Aufräumen oft nicht mehr grossartig erklären.» Das Wort Aufräumen sei, bei den meisten noch aus Kindertagen, negativ behaftet - und wirke nach. Oft sei es ein Tipp, der alles verändere, wenn man merke, welchem unbewussten Programm man bis anhin automatisch gefolgt sei. «Wer neue Ergebnisse will, braucht frische Gedanken und darf ein positives Gefühl zum Thema Ordnung aufbauen. Ich sorge nicht nur in der Wohnung für eine neue Übersicht und Leichtigkeit», so die «AufräumQueen».
Viele Menschen hätten noch nicht erkannt, wie einfach sie es sich machen könnten. «Innerlich sowie äusserlich – das Aufräumen im Kopf führt ganz automatisch dazu, dass sich Dinge auch in der Wohnung ordnen und die Ordnung quasi nebenbei entsteht», erklärt Alt.
Während ihrer Arbeit habe sie festgestellt, dass Personen, die sich selbst als Chaoten bezeichnen, oft die grössten Perfektionisten seien. «Sie warten immer auf den perfekten Moment, um anzufangen. Wenn das Wetter passt, man genügend Zeit und sonst nichts vorhat. Dieser Moment kommt meistens nicht so schnell», erklärt Alt und lacht. Der perfekte Moment, um anzufangen sei immer der aktuelle. Auch wenn man nur kurz Zeit habe, könne man viel erreichen. Ausserdem bestehe weniger die Gefahr, dass man zu viel auf einmal mache und sich damit so überfordere, dass man danach denke «das tue ich mir nicht so schnell wieder an.» Unser System sei darauf ausgelegt, Schmerz und Unbekanntem mit Vorsicht zu begegnen. «Das ist auch der Grund, warum uns kurz vor dem Aufräumen oft ganz viele Ideen kommen, was jetzt viel dringender oder spannender wäre», erklärt die «AufräumQueen» mit einem Schmunzeln.
So wird das Aufräumen von der Last zur Lust
Am besten beginne man beim Aufräumen in einem Zimmer, das man erst wieder verlässt, wenn es aufgeräumt ist. «Sonst findet man beispielsweise ein Foto, bringt es zum Fotoalbum und schon ist eine halbe Stunde vergangen, weil man sich die restlichen Fotos im Album auch noch angeschaut hat», erklärt Alt. Am besten lege man die Dinge, die in ein anderes Zimmer gehören zusammen und beschrifte vorab den Stapel mit dem Namen des zugehörigen Raums. So falle das Sortieren leichter.
Ausserdem empfiehlt die «AufräumQueen» eine Wohlfühlzone zu schaffen. «Diese wird jeden Abend aufgeräumt. So kann man sich zu Beginn auf einen kleinen Bereich konzentrieren und diesen Schritt für Schritt ausweiten», erklärt Alt.
Auch das Konsumverhalten trage zur Unordnung bei. «Oft kaufen wir etwas, weil es im Angebot '3 für 2' erhältlich ist. Dabei bräuchten wir das gar nicht und schlussendlich liegt es nur im Weg», so Alt. Um Dinge wegzugeben, brauche es eine gewisse Entscheidungsfreudigkeit und den Mut zur Lücke.
Es sei aber wichtig, nicht im Affekt zu viel zu entsorgen. Als Eltern müsse man darauf achten, Spielsachen der Kinder nicht in ihrer Abwesenheit einfach verschwinden zu lassen oder wegzuwerfen.
«Oftmals führt das nämlich dazu, dass sie sich als Erwachsene an jeden Gegenstand klammern. Es gibt Menschen, die als Kinder immer akribisch aufräumen mussten und nun unbewusst das Gegenteil leben, weil sie jetzt selber entscheiden dürfen und wollen. Umgekehrt kann ein chaotisches Zuhause auch zu einem exzessiven Aufräumverhalten führen. Beide Extreme sind ungesund, es gilt, die Balance zu finden», erklärt Alt.
Es nütze auch nichts, wie wild Aufbewahrungsboxen oder Ähnliches zu kaufen. «Am besten sortiert man die zu verstauenden Dinge danach, wie sie zusammenpassen, und sorgt sich anschliessend um die passende Möglichkeit zur Aufbewahrung. Wenn alles seinen Platz hat, gelte es, dem Drang zu widerstehen, den neu gewonnenen Raum sofort wieder zu füllen. Das sei lernbar für Jede und Jeden. «Genauso wie die Fähigkeit, sich liebevoll von Gegenständen zu verabschieden. Ohne Reue und schlechtes Gewissen», bemerkt die «AufräumQueen».
Von Ramona Koller