Hast Du etwas Spannendes beobachtet?
Sende uns ein Bild oder Video! Bild hochladen
Montag, 18. Januar 2021
Sende uns ein Bild oder Video! Bild hochladen
Seit Boris Johnson Premierminister von Grossbritannien ist, schreiben ihn unsere Medien nieder. «Populistischer Clown» gehörte noch zum Harmlosesten, was man ihm anhängte. Jetzt hat dieser angebliche «Clown» von der Europäischen Union einen... weiterlesen
In Zukunft sollen die Städte effizienter, nachhaltiger, produktiver– oder kurz gesagt – smarter werden. Doch wie geht die Schweiz diese Ziele an? weiterlesen
Neues Jahr, neues Glück, sagt man ja so schön. Schön wäre es tatsächlich, wenn wir 2021 alle mehr Glück hätten. Primär in Sachen Corona. Mögen uns die Impfungen retten und den Weg zurück in die Normalität ebnen. Wissen Sie noch wie das war im ÖV und.. weiterlesen
Seit Montag sind die Beiträge aus dem Projekt «Gossauer Frauengeschichten» auf www.frauenspur-gossau.ch öffentlich zugänglich. 35 Frauen haben in den letzten zwei Jahren 700 Nachrufe, 200 Zeitungsartikel und über 60 Lebensberichte von Frauen zusammengetragen, um deren Wirken zu würdigen.
Frauenspur «Jedes Mal wenn ich in eine Geschichte eingetaucht bin, hielt ich diese für besonders aussergewöhnlich. Von daher fällt es mir schwer, eine hervorzuheben», erklärt Brigitte Hollenstein-Gemperle, die das Projekt vor gut zwei Jahren initiierte. «Aktuell ist mir die sehr beeindruckende Geschichte von Marta Keel-Eberle besonders präsent. Sie wuchs in einer der drei Dorfmühlen wohlbehütet auf und heiratete einen in Gossau sehr beliebten Weinhändler», wagt Hollenstein dennoch einen Versuch. «Der Ehemann nahm sich mit 40 Jahren das Leben, worauf Marta Keel-Eberle ihre Kinder allein durchbringen musste. Trotzdem eröffnete sie während des zweiten Weltkriegs einen Treff für in Gossau beheimatete polnische Internierte», erzählt Hollenstein. Im Treff der «Polen-Mutti» habe man die neueste Musik von Glenn Miller oder Louis Armstrong gehört. «Gemeinsam mit Lokalhistoriker Karl Schmuki konnte ich die Geschichte zusammentragen und verifizieren, auch wenn die Spuren zu ihren beiden Kindern in diesem Fall versandeten», so die ehemalige Präsidentin des Gossauer Frauennetzes, die das Projekt gemeinsam mit Katharina Lehmann und Monika Walpen leitet.
Mit dem Projekt, das nun als «Frauenspur Gossau» öffentlich gemacht wird, erfüllt sich Hollenstein einen lange gehegten Wunsch, das Leben von Gossauer Frauen sichtbar zu machen, da diese in der hiesigen Geschichtsschreibung, die sich stets auf politische und wirtschaftliche Führungspositionen konzentrierte, weitgehend untergingen. «Als ich erstmals im Stadtarchiv anfragte, sagte man mir, dass nur sehr wenig über Geschichten von Frauen vorhanden sei. Also haben wir begonnen, in der Vadiana die Zeitungen zu durchforsten», erzählt Hollenstein von den Anfängen in der Kantonsbibliothek. «Wir haben enorm viel gelesen. Früher war es üblich, dass die Zeitungen Nachrufe von Verstorbenen abdruckten. 700 haben wir digitalisiert, so dass diese Nachrufe nun für eine Stichwortsuche zugänglich sind. Ausserdem haben wir sie wenn möglich mit Fotos der Verstorbenen oder deren Wirkungsstätten ergänzt», resümiert die Initiantin des Projekts, die auf die Hilfe von 34 weiteren Spurensucherinnen zählen konnte, die gelesen, geschrieben und archiviert haben. «Es ist enorm spannend die Zeitungsbeiträge zu durchforsten. Man erfährt dadurch auch sehr viel über das jeweilige Zeitgeschehen und Ereignisse wie beispielsweise das Kennedy-Attentat oder kriegerische Auseinandersetzungen», erzählt Hollenstein.
Im Hintergrund hätten sich ganze Familien mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt und debattiert, was sie öffentlich machen und was lieber privat halten wollten. «Zehn Autorinnen und Autoren haben durch Interviews mit Zeitzeuginnen oder deren Nachkommen über 60 Lebensgeschichten aufgeschrieben. Drei davon sind sogar mit Filmmaterial auf der Webseite hinterlegt», erzählt Hollenstein weiter. Natürlich sei das Projekt damit nicht abgeschlossen, eine endgültige Dokumentation ja auch gar nicht möglich. Hollenstein will weitermachen, solange sie von dieser Arbeit so fasziniert ist. «Noch sehe ich kein Ende», lacht sie. Dass man das bereits sehr umfangreiche Material aber jetzt im Jahr, in dem sich in der Schweiz die Einführung des Frauenstimmrechts zum 50. Mal jährt, öffentlich zugänglich machen könne, passe ausgezeichnet. Das 20. Jahrhundert sei für die Frauen ein Zeitalter gewesen, das mit vielen Einschränkungen, Abhängigkeiten und Armut, aber auch mit Aufbruch, Rebellion und Möglichkeiten verbunden war. Ursprünglich habe man die Präsentation der Zeitzeugnisse mit einem Event im Januar feiern wollen, was angesichts der Pandemie aber nicht möglich war. Dafür ist nun ein Anlass Ende April an der Maitlisek geplant, um mit den Mitwirkenden, Erzählenden und Beratenden das Projekt generationenübergreifend zu feiern.
Während die Frauen rund 2?500 Arbeitsstunden ehrenamtlich leisteten, übernahmen die Stadt Gossau und das Amt für Kultur mit ihren Patronaten anfallende Kosten. Dank dem grossen Einsatz der Freiwilligen, bleiben Geschichten wie jene von Edith Titl-Theiner der Nachwelt erhalten. Die gebürtige Tschechin floh 1968 während des Prager Frühlings in die Schweiz und landete in Gossau. Wenn sie im T-Shirt Tennis spielte, war auf dem Arm der Jüdin die Nummer zu sehen, welche ihr die Nazis im Konzentrationslager eingebrannt hatten. «Als ich sie besuchte, erzählte sie mir den ersten Teil ihrer beeindruckenden Lebensgeschichte. Weil sie müde wurde, legten wir eine Pause ein. Als ich mich am nächsten Tag wieder meldete, wurde mir mitgeteilt, dass sie im Sterben liege, mich aber noch empfange. So stand ich an ihrem Totenbett», berichtet Hollenstein von einer weiteren eindrücklichen Episode. Dank Kontakten zu tschechischen Bekannten der Verstorbenen gelang es Hollenstein, die Geschichte zu vervollständigen. Auch Heidi Mäder, die in Gossau aufwuchs und später die Frau von Bundesrat Alfons Egli wurde, Helena Mauchle-Ledergerber, die erste Gemeinderätin von Gossau, Liselotte Ellensohn und Agnes Brunner, welche die Sonne beziehungsweise den Ochsen prägten, die letzte Gemeindehebamme Marta Strässle oder Schwester Sigberta, die in der Krankenpflege schier Unmenschliches leistete, werden auf der Webseite gewürdigt - genauso wie zahlreiche weitere Frauen.
Von Tobias Baumann
Seit Montag sind die Beiträge aus dem Projekt «Gossauer Frauengeschichten» auf www.frauenspur-gossau.ch öffentlich zugänglich. 35 Frauen haben in den letzten zwei Jahren 700 Nachrufe, 200 Zeitungsartikel und über 60 Lebensberichte von Frauen zusammengetragen, um deren Wirken zu würdigen.
Frauenspur «Jedes Mal wenn ich in eine Geschichte eingetaucht bin, hielt ich diese für besonders aussergewöhnlich. Von daher fällt es mir schwer, eine hervorzuheben», erklärt Brigitte Hollenstein-Gemperle, die das Projekt vor gut zwei Jahren initiierte. «Aktuell ist mir die sehr beeindruckende Geschichte von Marta Keel-Eberle besonders präsent. Sie wuchs in einer der drei Dorfmühlen wohlbehütet auf und heiratete einen in Gossau sehr beliebten Weinhändler», wagt Hollenstein dennoch einen Versuch. «Der Ehemann nahm sich mit 40 Jahren das Leben, worauf Marta Keel-Eberle ihre Kinder allein durchbringen musste. Trotzdem eröffnete sie während des zweiten Weltkriegs einen Treff für in Gossau beheimatete polnische Internierte», erzählt Hollenstein. Im Treff der «Polen-Mutti» habe man die neueste Musik von Glenn Miller oder Louis Armstrong gehört. «Gemeinsam mit Lokalhistoriker Karl Schmuki konnte ich die Geschichte zusammentragen und verifizieren, auch wenn die Spuren zu ihren beiden Kindern in diesem Fall versandeten», so die ehemalige Präsidentin des Gossauer Frauennetzes, die das Projekt gemeinsam mit Katharina Lehmann und Monika Walpen leitet.
Mit dem Projekt, das nun als «Frauenspur Gossau» öffentlich gemacht wird, erfüllt sich Hollenstein einen lange gehegten Wunsch, das Leben von Gossauer Frauen sichtbar zu machen, da diese in der hiesigen Geschichtsschreibung, die sich stets auf politische und wirtschaftliche Führungspositionen konzentrierte, weitgehend untergingen. «Als ich erstmals im Stadtarchiv anfragte, sagte man mir, dass nur sehr wenig über Geschichten von Frauen vorhanden sei. Also haben wir begonnen, in der Vadiana die Zeitungen zu durchforsten», erzählt Hollenstein von den Anfängen in der Kantonsbibliothek. «Wir haben enorm viel gelesen. Früher war es üblich, dass die Zeitungen Nachrufe von Verstorbenen abdruckten. 700 haben wir digitalisiert, so dass diese Nachrufe nun für eine Stichwortsuche zugänglich sind. Ausserdem haben wir sie wenn möglich mit Fotos der Verstorbenen oder deren Wirkungsstätten ergänzt», resümiert die Initiantin des Projekts, die auf die Hilfe von 34 weiteren Spurensucherinnen zählen konnte, die gelesen, geschrieben und archiviert haben. «Es ist enorm spannend die Zeitungsbeiträge zu durchforsten. Man erfährt dadurch auch sehr viel über das jeweilige Zeitgeschehen und Ereignisse wie beispielsweise das Kennedy-Attentat oder kriegerische Auseinandersetzungen», erzählt Hollenstein.
Im Hintergrund hätten sich ganze Familien mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt und debattiert, was sie öffentlich machen und was lieber privat halten wollten. «Zehn Autorinnen und Autoren haben durch Interviews mit Zeitzeuginnen oder deren Nachkommen über 60 Lebensgeschichten aufgeschrieben. Drei davon sind sogar mit Filmmaterial auf der Webseite hinterlegt», erzählt Hollenstein weiter. Natürlich sei das Projekt damit nicht abgeschlossen, eine endgültige Dokumentation ja auch gar nicht möglich. Hollenstein will weitermachen, solange sie von dieser Arbeit so fasziniert ist. «Noch sehe ich kein Ende», lacht sie. Dass man das bereits sehr umfangreiche Material aber jetzt im Jahr, in dem sich in der Schweiz die Einführung des Frauenstimmrechts zum 50. Mal jährt, öffentlich zugänglich machen könne, passe ausgezeichnet. Das 20. Jahrhundert sei für die Frauen ein Zeitalter gewesen, das mit vielen Einschränkungen, Abhängigkeiten und Armut, aber auch mit Aufbruch, Rebellion und Möglichkeiten verbunden war. Ursprünglich habe man die Präsentation der Zeitzeugnisse mit einem Event im Januar feiern wollen, was angesichts der Pandemie aber nicht möglich war. Dafür ist nun ein Anlass Ende April an der Maitlisek geplant, um mit den Mitwirkenden, Erzählenden und Beratenden das Projekt generationenübergreifend zu feiern.
Während die Frauen rund 2?500 Arbeitsstunden ehrenamtlich leisteten, übernahmen die Stadt Gossau und das Amt für Kultur mit ihren Patronaten anfallende Kosten. Dank dem grossen Einsatz der Freiwilligen, bleiben Geschichten wie jene von Edith Titl-Theiner der Nachwelt erhalten. Die gebürtige Tschechin floh 1968 während des Prager Frühlings in die Schweiz und landete in Gossau. Wenn sie im T-Shirt Tennis spielte, war auf dem Arm der Jüdin die Nummer zu sehen, welche ihr die Nazis im Konzentrationslager eingebrannt hatten. «Als ich sie besuchte, erzählte sie mir den ersten Teil ihrer beeindruckenden Lebensgeschichte. Weil sie müde wurde, legten wir eine Pause ein. Als ich mich am nächsten Tag wieder meldete, wurde mir mitgeteilt, dass sie im Sterben liege, mich aber noch empfange. So stand ich an ihrem Totenbett», berichtet Hollenstein von einer weiteren eindrücklichen Episode. Dank Kontakten zu tschechischen Bekannten der Verstorbenen gelang es Hollenstein, die Geschichte zu vervollständigen. Auch Heidi Mäder, die in Gossau aufwuchs und später die Frau von Bundesrat Alfons Egli wurde, Helena Mauchle-Ledergerber, die erste Gemeinderätin von Gossau, Liselotte Ellensohn und Agnes Brunner, welche die Sonne beziehungsweise den Ochsen prägten, die letzte Gemeindehebamme Marta Strässle oder Schwester Sigberta, die in der Krankenpflege schier Unmenschliches leistete, werden auf der Webseite gewürdigt - genauso wie zahlreiche weitere Frauen.
Von Tobias Baumann
Lade Fotos..